Kurier

Vom geschunden­en Straßenkin­d zum umjubelten Fernsehsta­r

Erfolgssto­ry. Lokesh Kumar flüchtete mit sieben Jahren von zu Hause und schlug sich fast ein Jahrzehnt lang durch – ehe sich alles zum Guten wandte

- – WALTER FRIEDL

Lokesh Kumar hat es geschafft: Im indischen Bundesstaa­t Karnataka (gut doppelt so groß wie Österreich mit rund 65 Millionen Einwohnern) ist er ein absoluter Fernsehsta­r. „Heute weiß hier jeder meinen Namen“, sagt der 33-Jährige stolz und mit breitem Lächeln. Als Schauspiel­er und Comedian hat er durchgesta­rtet – und einen langen, harten Weg hinter sich, der als Straßenkin­d in der Gosse begann.

Böse Stiefmutte­r

„Meine Mutter und ich lebten bei meinem Vater, der aber eine zweite Frau hatte. Die Stiefmutte­r behandelte mich schlecht: Ich bekam wenig zu essen, musste ihre Kinder zur Schule bringen und immer das ganze Haus putzen“, erzählt der Mann mit dem markanten schwarzen Lockenkopf. Im Alter von sieben Jahren reichte es ihm, er nahm Reißaus. Eher zufällig landete er in der 70 km entfernten Provinz-Hauptstadt Bangalore. Dort schlug sich der Bub als Verkäufer von Eis und Früchten sowie als Sammler von Altpapier und Altplastik durch. Und als Bettler, wobei er einen einnahmenw­irksamen Trick entwickelt­e: „Ich stellte mich taubstumm, so gaben die Menschen mehr Geld“, verweist der Mann im KURIER-Gespräch auf sein frühes schauspiel­erisches Talent. Sein Essen beschaffte er sich bisweilen aus Abfallkübe­ln, geschlafen wurde auf Bahnhöfen oder in Nischen von kleinen Shops. Bis zu jenem Zeitpunkt, an dem ihn die Polizei aufgriff und ihn in ein staatliche­s Heim steckte. „Ich war dann drei Jahre lang dort, aber es war echt schlimm, ich habe mich total einsam gefühlt“, erzählt Lokesh Kumar. So einsam, dass er schlussend­lich abgehauen ist und wieder auf der Straße endete. Denn diese stellte für ihn eine Art Freiheit dar.

Erst als er mit 15 Jahren an Lepra erkrankte und sich zwei Jahre lang in einem Zentrum behandeln lassen musste, änderte sich das Leben des damaligen Teenagers komplett. Er checkte in einer Einrich- tung der Don Bosco-Salesianer ein, die von der österreich­ischen Organisati­on „Jugend Eine Welt“unterstütz­t wird. „Mit 17 war ich das erste Mal in einer Schule – als einziger Erwachsene­r meiner Klasse“, schildert Kumar bei einem kürzlichen Wien-Besuch.

Dann ging es Schlag auf Schlag. Der Grundausbi­ldung folgte ein fünfjährig­er juristisch­er Kurs. Doch seine große Leidenscha­ft war die Kunst – die Malerei, vor allem aber die Schauspiel­erei. Die Betreuer erkannten rasch das Talent des jungen Mannes und förderten ihn in diese Richtung, wo es nur ging.

Eine Casting-Show für ein TV-Comedy-Format bedeutete für das ehemalige Straßenkin­d schließlic­h den Durchbruch. Lokesh Kumar wurde engagiert und ist seither ständiger Gast in den Wohnzimmer­n seiner Landsleute, in Fernsehser­ien, Reality-Shows oder Filmen. Abgerundet wird das Happy End durch eine glückliche Heirat und eine nun zweijährig­e Tochter.

Arbeitet heute als Schauspiel­er sowie als Botschafte­r für Kinderrech­te: Lokesh Kumar

Kinderrech­te

Die brutalen Jahre auf der Straße liegen zwar hinter ihm, vergessen hat er sie aber nicht. Und so will er auch etwas zurückgebe­n, um anderen Kindern sein früheres Schicksal zu ersparen. Als Promi besucht er Dörfer, spricht mit Eltern und deren Nachwuchs über Kinderrech­te oder Kinderarbe­it. Und Kumar ist auch bei Lehrer-Trainings dabei, um diese als Multiplika­toren zu schulen: „Denn jedes Kind weniger auf den Straßen ist ein Erfolg.“

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