Solange Glocken läuten …
Einem Mantra der Halbbildung gleich wird immer wieder die Behauptung aufgestellt: Religion sei einzig und allein Privatsache. Zuletzt beim Karfreitag im Vergleich mit anderen religiösen Feiertagen, die staatlich anerkannt sind, oder zuvor in den Debatten um Antisemitismus durch Antijudaismus und Antiislamismus (die meisten Muslime, wenn Araber, sind ebenso Semiten wie Juden) oder um das „hohe C“in der Demokratie. Sie alle beleuchten die Schnittmengen zwischen Religion und Politik bzw. Kirche und Staat.
Zwei Pole: Staat und Kirche
Das Symbol der läutenden Glocken Pars pro Toto: Religion nicht nur res privata, sondern auch res publica. Ist es so? Mehr oder weniger! Während der laikale Staat (Frankreich) nämlich eine strikte Trennung von Kirche und Staat kennt und keinen Religionsunterricht an staatlichen Schulen oder religiöse Symbole in staatlichen Institution wie Gerichten erlaubt, verhält es sich im säkularen Staat (Österreich) in beiden Fällen anders.
Sehr spannend ist das Verhältnis der just in der Französischen Revolution (Hans Maier) entstandenen christ(lich-)demokratischen Bewegungen, die auf bauend auf der „Zwei-Reiche-Lehre“(Diesseits und Jenseits) der Kirche und dem Wort Jesu, wonach man Gott und Herrscher geben möge, was jeweils dessen sei, eine intellektuell anregende Verbindung zwischen Christentum und Demokratie herstellen: Alle Macht gehe vom Volk aus, denn es stehe in der Vollmacht Gottes.
In den europäischen Demokratien liberaler (nicht liberalistischer) Prägung mündete der Prozess einer solcherart Mehroder-minder-Trennung von Staat und Kirche in der Neutralität (nicht Indifferenz) des Staates gegenüber Konfessionen einerund der Äquidistanz der Kirchen gegenüber Parteien (nicht Politik) anderseits.
Ansprechpartner gesucht
Leichter ist das beim Christentum, weil in ihm die angesprochene Trennung genuin angelegt ist (Heinrich August Winkler), schwieriger beim Islam: Dieser ist zwar Religion als spirituelle Anschauung und Auffassung von Welt in Toto, kennt aber keine Kirche als Instanz, geschweige denn eine theologische Spitze wie den Papst bei den Katholiken (das Kalifat ist vakant). Das stiftet Verwirrung.
Einer der großen Aufträge einer Politik, die von „europäischem Islam“spricht, wird also sein, zuallererst eine Institution zu bilden, die dem Staat nicht als privater, sondern als öffentlicher Gesprächspartner auf gesetzlicher Basis gegenüber tritt.