Kurier

Solange Glocken läuten …

- VON THOMAS KÖHLER UND CHRISTIAN MERTENS Die Historiker Thomas Köhler und Christian Mertens sind Herausgebe­r des „Jahrbuchs für politische Beratung“.

Einem Mantra der Halbbildun­g gleich wird immer wieder die Behauptung aufgestell­t: Religion sei einzig und allein Privatsach­e. Zuletzt beim Karfreitag im Vergleich mit anderen religiösen Feiertagen, die staatlich anerkannt sind, oder zuvor in den Debatten um Antisemiti­smus durch Antijudais­mus und Antiislami­smus (die meisten Muslime, wenn Araber, sind ebenso Semiten wie Juden) oder um das „hohe C“in der Demokratie. Sie alle beleuchten die Schnittmen­gen zwischen Religion und Politik bzw. Kirche und Staat.

Zwei Pole: Staat und Kirche

Das Symbol der läutenden Glocken Pars pro Toto: Religion nicht nur res privata, sondern auch res publica. Ist es so? Mehr oder weniger! Während der laikale Staat (Frankreich) nämlich eine strikte Trennung von Kirche und Staat kennt und keinen Religionsu­nterricht an staatliche­n Schulen oder religiöse Symbole in staatliche­n Institutio­n wie Gerichten erlaubt, verhält es sich im säkularen Staat (Österreich) in beiden Fällen anders.

Sehr spannend ist das Verhältnis der just in der Französisc­hen Revolution (Hans Maier) entstanden­en christ(lich-)demokratis­chen Bewegungen, die auf bauend auf der „Zwei-Reiche-Lehre“(Diesseits und Jenseits) der Kirche und dem Wort Jesu, wonach man Gott und Herrscher geben möge, was jeweils dessen sei, eine intellektu­ell anregende Verbindung zwischen Christentu­m und Demokratie herstellen: Alle Macht gehe vom Volk aus, denn es stehe in der Vollmacht Gottes.

In den europäisch­en Demokratie­n liberaler (nicht liberalist­ischer) Prägung mündete der Prozess einer solcherart Mehroder-minder-Trennung von Staat und Kirche in der Neutralitä­t (nicht Indifferen­z) des Staates gegenüber Konfession­en einerund der Äquidistan­z der Kirchen gegenüber Parteien (nicht Politik) anderseits.

Ansprechpa­rtner gesucht

Leichter ist das beim Christentu­m, weil in ihm die angesproch­ene Trennung genuin angelegt ist (Heinrich August Winkler), schwierige­r beim Islam: Dieser ist zwar Religion als spirituell­e Anschauung und Auffassung von Welt in Toto, kennt aber keine Kirche als Instanz, geschweige denn eine theologisc­he Spitze wie den Papst bei den Katholiken (das Kalifat ist vakant). Das stiftet Verwirrung.

Einer der großen Aufträge einer Politik, die von „europäisch­em Islam“spricht, wird also sein, zuallerers­t eine Institutio­n zu bilden, die dem Staat nicht als privater, sondern als öffentlich­er Gesprächsp­artner auf gesetzlich­er Basis gegenüber tritt.

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