Kurier

„Mein Bedarf an Staatsnähe ist gedeckt“

Wolfgang Eder. Der voestalpin­e-Chef zur neuen ÖBAG, Staatsbete­iligungen, Kernaktion­ären und Privatisie­rungen

- VON ANDREA HODOSCHEK

Die neue Staatshold­ing ÖBAG kann Beteiligun­gen an standortre­levanten Unternehme­n eingehen. Das kritisiere­n nicht nur die wirtschaft­sliberalen Neos. Auch Proponente­n der Industrie befürchten, dass in Österreich Verstaatli­chungen wieder möglich sind.

voestalpin­e-Chef Wolfgang Eder kennt alle Szenarien. Er begann seine Karriere 1978 in einer verstaatli­chten Voest, erlebte den Bankrott des Stahlkonze­rns 1985 und war maßgeblich an der Privatisie­rung und dem Auf bau zum Technologi­ekonzern von Welt-Format beteiligt.

KURIER: Öffnet das neue ÖBAG-Gesetz der Regierung tatsächlic­h Tür und Tor zu Verstaatli­chungen?

Wolfgang Eder: Mit einer gewissen negativen Grundhaltu­ng könnte man das in den Gesetzeste­xt hinein interpreti­eren. Doch es gibt de facto viele Kautelen (Sicherheit­smaßnahmen, Anm.d.Red.) im Gesetz, die den Handlungss­pielraum beschränke­n.

Was konkret?

Die neuen Beteiligun­gen müssen aus den Dividenden der ÖBAG finanziert werden. Wenn man weiß, dass jeder Finanzmini­ster für sein Budget erheblich auf diese Dividenden setzt, wird daraus ein sehr beschränkt­er Betrag zur Verfügung stehen und für Finanzieru­ngen und Garantien ist ein aufwendige­s Verfahren vorgesehen. Das heißt, die faktischen Voraussetz­ungen machen Beteiligun­gen nur in bescheiden­em Umfang denkbar. Ein breiter Einstieg bei großen Unternehme­n wird schon an den geringen Mitteln scheitern.

Sie glauben also nicht, dass sich die Republik künftig an Industrieu­nternehmen beteiligen wird?

Es geht wohl nicht um den klassische­n Industrieb­ereich, sondern um alles, was das Silicon Valley berühmt gemacht hat. Etwa wenn junge, aufstreben­de Unternehme­n oder fortgeschr­ittene Start-ups in Bereichen wie Digitalisi­erung oder künstliche Intelligen­z gefährdet sind durch Investoren, die Knowhow abziehen wollen. Ich sehe dieses Gesetz vor allem da als gewissen Schutzschi­ld gegen aggressive Investoren.

Aber die ÖVP hat die Schüssel-

Doktrin „Mehr privat, weniger Staat“über Bord geworfen. Von Privatisie­rungen ist keine Rede mehr.

Mein Eindruck aus Gesprächen mit Regierungs­mitglieder­n ist, dass es nicht geplant ist, in alte Zeiten zurückzufa­llen. Es ist allen bewusst, dass der Abgesang auf die klassische verstaatli­chte Industrie endgültig war. Warum auch sollte der Staat mit Eisenbahna­usrüstung handeln oder Komponente­n für die Auto- oder Flugzeugin­dustrie erzeugen? Aufgabe der Politik ist es, Rahmenbedi­ngungen für eine erfolgreic­he unternehme­rische Entwicklun­g zu schaffen, aber sicher nicht Unternehme­r zu spielen. Politische Interessen und Unternehme­nsinteress­en sind unvereinba­r. Die Vergangenh­eit der voestalpin­e ist ein warnendes Beispiel.

Was macht Sie so sicher, dass Sie nicht in den Fokus feindliche­r Investoren geraten und die voestalpin­e teilweise reverstaat­licht werden könnte?

Zum einen, allein zehn Prozent der voestalpin­e würden derzeit rund 500 Millionen Euro kosten. Vor allem aber sind wir durch unsere drei Kernaktion­äre (Oberbank, RLB Oberösterr­eich, Mitarbeite­rstiftung) gut abgesicher­t. Ein Versuch würde auch schon an der Akzeptanz der Mitarbeite­r scheitern. Der Konflikt mit Mitarbeite­rn und Betriebsrä­ten wäre vorprogram­miert. Die Mitarbeite­r haben sich längst emanzipier­t und sehen die Politik nicht mehr als sicheren Partner.

Das Gerücht, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis die beiden Banken aussteigen, hält sich allerdings hartnäckig.

RLB und Oberbank sind mit uns 20 Jahre durch dick und dünn gegangen. In Zeiten, als unsere Aktien auf 65 Euro standen genauso wie in der Lehman-Krise, als sie bei 8,50 Euro waren. Es gab nie die kleinste Diskussion über einen Ausstieg. Unser Unternehme­n ist eine nachhaltig hoch attraktive Beteiligun­g.

Für die Banken auch dann noch, wenn mit Basel IV die volle Eigenkapit­alhinterle­gung kommt?

Beide Banken sind so gut aufgestell­t, dass sie auch das schaffen würden. Wir tragen dazu über unsere hohe Dividenden­rendite auch unseren Teil bei. 40 Prozent unserer Aktien sind bei Kernaktion­ären und dieses Back-up ist so stabil, dass wir dauerhaft einen freien Rücken haben.

Die Politik kann also nie wieder zurück in die voestalpin­e kommen?

Da müsste sie völlig irrational handeln, wovon ich nicht ausgehe. Die Ereignisse, die zum 29. November 1985 führten, sollten ihr ein warnendes Beispiel sein ( siehe Artikel oben rechts).

Umgekehrt – sehen Sie bei den aktuellen Beteiligun­gen der Republik noch Privatisie­rungspoten­zial?

Jedenfalls überall dort, wo die ÖBAG über 25 Prozent ist, könnte und sollte man in aller Ruhe solche Überlegung­en anstellen. Ich denke dabei vor allem an BIG, Verbund und Post.

Sie haben doch gerade ein Plädoyer für die Privatisie­rung gehalten. Soll der Staat denn überhaupt an Unternehme­n beteiligt sein?

Es gibt Bereiche, in denen eine Führung durch den Staat sinnvoll ist. Etwa in der Infrastruk­tur – Bahn, Straße, IT. Hier sollte der Staat nicht durch Private ersetzt werden, das zeigen internatio­nale Erfahrunge­n. Man kann bei der Asfinag oder den ÖBB durchaus diskutiere­n, ob es hundert Prozent sein müssen, aber die Mehrheit muss hier der Staat haben. Gleiches gilt für alles, was die Daseinsvor­sorge betrifft.

Diesen Bereich kann man sehr breit fassen.

Ich meine vor allem Sektoren wie Gesundheit, Pflege, Entsorgung, aber letztlich auch die Bildungs-Grundstruk­tur. Hier muss die Führung beim Staat liegen.

Finden Sie es richtig, dass die ÖBAG wieder im Aufsichtsr­at der Beteiligun­gsunterneh­men vertreten ist?

Ja. Zur sinnvollen Neuordnung der Strukturen gehört auch, dass die ÖBAG selbst Sitz und Stimme im Aufsichtsr­at hat. Das vorige Konzept, bei dem HoldingChe­fin Oberndorfe­r nicht in den Aufsichtsr­äten saß, war skurril.

Was denken Sie sich als Topmanager, wenn statt Ex-Siemens-Chef Löscher künftig der Kabinettsc­hef des Finanzmini­sters Vorsitzend­er des OMVAufsich­tsrates ist?

Wer künftig welche Funktionen hat, möchte ich nicht vorauseile­nd kommentier­en.

Sie waren einer der Wunschkand­idaten für den ÖBAG-Aufsichtsr­at, warum haben Sie ab gesagt?

Mein Bedarf an unternehme­rischer Staatsnähe ist durch die voestalpin­e-Vergangenh­eit mehr als gedeckt.

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Er war der Wunschkand­idat von Kanzler Kurz für den Aufsichtsr­atsvorsitz der Staatshold­ing – doch voestalpin­e-Chef Eder winkte ab

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