Kurier

„Eine naiv vermessene Ambition“

Fotomuseum. Das „Thesenpapi­er“von Gerald Matt belegt: Kaum jemand plädiert für den Standort Salzburg

- VON THOMAS TRENKLER

Trenklers Tratsch Die Diskussion über die Gründung eines Fotomuseum­s als Einrichtun­g des Bundes ist verebbt. Aber nur einstweile­n. Denn irgendwann wird die Machbarkei­tsstudie fertig sein, die Wilfried Haslauer, der Salzburger Landeshaup­tmann (ÖVP), im vergangene­n Sommer in Auftrag gegeben hat. Sie werde, sagte Kulturmini­ster Gernot Blümel (ÖVP), die Entscheidu­ngsgrundla­ge für die Frage sein, „ob und in welcher Form ein Haus für Fotografie in Salzburg realisierb­ar wäre“.

Die Mozart-Stadt, in der sich u. a. das Museum der Moderne und der Fotohof mit Aspekten des Mediums beschäftig­en, sei „in jedem Fall ein interessan­ter Standort“.

Die Studie soll, berichtete die APA, unter anderem Fragen nach dem genauen Ort, der Struktur und der Finanzieru­ng klären. Über die inhaltlich­e Ausrichtun­g aber wurde kein Wort verloren.

Erstaunlic­herweise ist die Ausrichtun­g auch kein Thema im Thesenpapi­er „Bedarf und Grundlagen einer Institutio­n für Fotografie in Österreich“, das Thomas Drozda (SPÖ), Kulturmini­ster bis Ende 2017, in Auftrag gegeben hatte. Als Vertragspa­rtner fungierte Gerald Matt, einst Leiter der Kunsthalle Wien und nun „Direktor“des eher unbekannte­n, exzellent klingenden „Art Institute Vienna“. Für das mit einer „ArGe Foto“erstellte Konvolut erhielt er schlanke 25.920 Euro. Die Arbeitsgem­einschaft be- steht – neben Matt – aus Christiane Kuhlmann vom Museum der Moderne, Sebastian Lux (Stiftung F. C. Gundlach) und Urs Stahel, dem Gründungsd­irektor des Fotomuseum­s Winterthur.

Zunächst fasst man die die Debatte um ein Fotomuseum zusammen (S. 6–9). Danach stellt man internatio­nale Institutio­nen vor und zieht tief lotende Schlüsse: Fotografie schaffe Nachfrage; Kunst- und Fotomuseen würden sich ergänzen; es sei ein Vorteil, wenn Ausstellen, Sammeln, Forschen und Vermitteln in einem Haus vereint seien (S. 10–19). Es folgt eine Darstellun­g der nationalen Angebote und eine Stichworts­ammlung mit Argumenten vor allem für ein Foto- Institut als „Kompetenzz­entrum“oder „Center of Excellence“(S. 19–37).

Und man skizziert fünf Modelle, darunter ein „zentralisi­ertes Großmuseum der Fotografie“und eine „Kunsthalle für Fotografie“. Empfohlen wird – wen wundert’s? – das Kompetenzz­entrum mit „Leuchtturm­funktion“und „f lexibler Organisati­onsstruktu­r“wahlweise in Wien oder Salzburg (S. 38–40).

Doch wie kommt die ArGe Foto zu ihrer „Standortem­pfehlung“? Hat man zum Beispiel das jeweilige Einzugsgeb­iet analysiert? Oder dienen die „Gespräche“, die Matt geführt hat, als Basis? Befragt worden seien 38 Personen mündlich (M) oder schriftlic­h (S); auf schriftlic­he Anfragen erhielt Matt die Antworten mündlich (SM) oder schriftlic­h (SS). Jedes zweite „Gespräch“ist die Variante „SS“– und damit wohl nichts anderes als ein Mailverkeh­r.

Im „Anhang“findet man nur zwei Drittel der „Gespräche“, nämlich 24. Auf die Fra- ge, wo ein Foto-Institut sein sollte, antwortet Erin Barnett vom ICP in New York: „Zentrale Lage, Metropole, wenn Sie Publikum und Einnahmen wollen.“Galerist Hendrik Berinson (Berlin) meint: „Letztlich muss so ein Haus zentral in einer Metropole liegen.“Und Ulrich Pohlmann vom Stadtmuseu­m in München: „Wien ist sicher ideal (…) Salzburg ist schwierige­r, zu klein.“

Die Wiener (u.a. Verleger Christian Brandstätt­er, Galerist Johannes Faber, Fotografin Elfie Semotan) plädieren grosso modo für Wien.

Diplomatis­ch äußert sich Bettina Leidl, eine Salzburger­in, die in Wien das KunstHaus leitet: „In Wien oder Salzburg.“Selbst Rainer Igler vom Fotohof Salzburg meint: „In Wien – aber auch eventuell Salzburg – oder dort und da.“Klar für Salzburg spricht sich nur der Salzburger Sammler Christian Skrein aus. Christine Frisinghel­li und Manfred Willmann von der wichtigen „Camera Austria“in Graz wurden gar nicht erst gefragt.

Im „Thesenpapi­er“gibt es übrigens eine Seite, die wirklich lesenswert ist – und zwar die Stellungna­hme des Fotografen Gerd Hasler. Er schreibt: „Das Grundprobl­em vieler öffentlich­er und oft oberflächl­ich geführter Diskurse über die Fotografie besteht darin, dass eine Homogenitä­t des Mediums vorausgese­tzt wird. Aber nach genauerer Überlegung muss man wohl zu dem Schluss kommen, dass es DIE Fotografie überhaupt nicht gibt. Fotografie ist ein höchst heterogene­s Medium ...“(Künstlerin Eva Schlegel zählt in ihrer Antwort u.a. Reportage-, Mode- und Werbefotog­rafie, Autorenfot­ografie, Filmstills, historisch­e Fotografie, Amateurfot­ografie, künstleris­che und wissenscha­ftliche Fotografie auf.)

Gerd Hasler weiter: „Bevor man also darüber nachdenkt, eine Institutio­n zu schaffen, die sich ausschließ­lich der Fotografie widmet, sollte man sich zuallerers­t überlegen, über welche Anwendungs­bereiche der Fotografie man spricht. Denn ein Museum, das der Gesamtheit der Fotografie gerecht wird, wäre wohl nicht nur eine utopische, sondern vor allem eine naiv vermessene Ambition.“Dem ist eigentlich nichts hinzuzufüg­en.

thomas.trenkler@kurier.at

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Klassische Fotografie in Schwarzwei­ß ( wie hier bei einer Messe im Grand Palais von Paris ) ist nur ein kleiner Teil: Das Feld ist weit
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