Kurier

Die Kraft, Lebenskris­en zu meistern

Wie Samuel Koch nach seinem Unfall bei „Wetten, dass..?“neuen Mut schöpfte

- VON INGRID TEUFL

Samuel Koch nützt eine längere Autofahrt für unser Telefonat. Im Moment ist er beruflich sehr beschäftig­t, spielt in mehreren Stücken an verschiede­nen Theatern. Am Mittwoch fand in Mannheim die Premiere von Hermann Hesses „Der Steppenwol­f “statt. „Wenn man auf eine Premiere zuarbeitet, ist man immer ein wenig in einem Tunnel“, entschuldi­gt er sich für den Termin nach der Premiere.

Er telefonier­t via Headset, sein Handy ist an seinem Elektrorol­lstuhl befestigt. Den braucht der 31Jährige, seit er 2010 in der Fernsehsen­dung „Wetten, dass..?“verunglück­te und vom Hals abwärts querschnit­tsgelähmt ist. Anfang Jänner erschien sein drittes Buch, worin er sich dem Thema Resilienz (der psychische­n Widerstand­sfähigkeit), einem Trendthema unserer Zeit, widmet. Oder besser: dem, worauf es beim immer wieder Aufstehen nach Krisen wirklich ankommt. Ein Gespräch über Entwicklun­g, Werte – und „diesen einen, dämlichen Misserfolg“, über den er noch immer häufig definiert wird.

KURIER: Herr Koch, Ihr Buch trägt den Untertitel „Kein Resilienzr­atgeber“. Was ist schlecht an Resilienz? Samuel Koch:

Resilienz hat durchaus seine Berechtigu­ng. Wenn man psychisch und körperlich widerstand­sfähiger sein möchte, ist es in Ordnung, wenn man sich Rat sucht. Ich möchte die Resilienz-Ratgeber nicht schlecht machen, im Alltag mit seinen üblichen Sorgen und Problemche­n kann das helfen. Aber was da in den unzähligen Ratgebern aufgezählt wird, ist ja auch ein Modethema. Es ist mir persönlich schwergefa­llen, einen der sieben Resilienzf­aktoren (Optimismus, Akzeptanz, neue Netzwerke aufbauen, Lösungsori­entierung, Verlassen der Opferrolle, Selbstwirk­samkeitsüb­erzeugung, Zukunft planen und gestalten) anzuwenden. Wenn es hart auf hart kommt, gibt es angesichts harter Fakten keine weichen Antworten.

Spätestens, wenn ich in einem Kinderhosp­iz, wohin ich immer wieder eingeladen werde, Eltern begegne, die ihr Kind gerade verlieren oder verloren habe, dann sind Ratschläge oder mit Resilienzf­aktoren zu kommen, nur Hohn und Spott. Es wird für diese Menschen nichts wieder gut. Ich habe das Buch geschrie- ben, weil ich überprüfen wollte, weil Resilienz eben in aller Munde ist. Aber trotz all der tollen Seminare und Theorien, die es gibt, gibt es so viele Menschen mit Depression­en und Burn-out.

Ihr „dummer Misserfolg“, wie Sie es nennen, hat Sie bekannt gemacht. Wie soll man Ihnen begegnen?

Mir wäre wohler, wenn ich nicht nur über dieses Missgeschi­ck, diesen Fehler, den ich da begangen habe, definiert würde. Ich kann es natürlich verstehen, ich nehme es niemandem übel. Trotzdem bin ich auch mal an dem Punkt, wo ich lieber über Aktuelles, Filme, Mechatroni­k – was auch immer sprechen will. Nicht zuletzt ist aber mit den Entwicklun­gen des Unfalls, der Querschnit­tslähmung und des Umgangs damit der Anreiz für die Beschäftig­ung mit der Thematik Resilienz entstanden.

Wie gehen Sie damit um, dass so viele Menschen Sie zu kennen glauben?

Zum Leidwesen meiner Freunde und auch meiner Frau antworte ich jedem, der mich anspricht. Manche Freunde könnten darauf verzichten, das kann auch mühsam sein. Das muss man lernen, dass Nein-Sagen auch Ja-Sagen zu jemand anderem ist. Da bin ich noch nicht so gut.

Sie schreiben, dass es nicht das eine Resilienz-Rezept gibt, aber „lebenswert­e Werte“, die helfen können, darunter Hoffnung, Dankbarkei­t, Gemeinscha­ft oder Verantwort­lichkeit. Sind manche wichtiger als andere?

Ich habe durch viele Recherchen und Gespräche, u. a. mit Wissenscha­ftlern oder in Hospizen, festgestel­lt, dass es Faktoren gibt, die immer wichtig sind, mal zentral, mal weniger zentral. Für mich war zum Beispiel die Unterstütz­ung meiner Familie in der Akutsituat­ion der Reha ganz wichtig. Zu einem späteren Zeitpunkt war zentral, dass sie nicht da war. Als es um die Fortsetzun­g meines Studiums ging, war die eigene Autonomie sehr wichtig.

Sie erwähnen im Buch, dass das Bild von der Raupe, die unter Anstrengun­g zum Schmetterl­ing wird, für Sie hilfreich ist, wenn Sie feststecke­n. Warum?

Ob es etwas hilft, ist natürlich von der Situation und dem Menschen abhängig. Mir hilft bei dieser Assoziatio­n, die Zuversicht und die Hoffnung darauf, dass aus diesem Leid, mit dem sich die Raupe aus dem Kokon kämpft, ohne dass man es beschleuni­gen kann, etwas Schönes entstehen kann.

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 ??  ?? Immer wieder wird Koch in Reha-Kliniken (li.) oder Kinderhosp­ize geladen: „Da sind Ratschläge Hohn und Spott“
Immer wieder wird Koch in Reha-Kliniken (li.) oder Kinderhosp­ize geladen: „Da sind Ratschläge Hohn und Spott“
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 ??  ?? Samuel Koch: „ StehaufMen­sch! – Was macht uns st ark? Kein Resilienzr­atgeber“Adeo Verlag . 208 Seiten. 20,60 Euro.
Samuel Koch: „ StehaufMen­sch! – Was macht uns st ark? Kein Resilienzr­atgeber“Adeo Verlag . 208 Seiten. 20,60 Euro.

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