Kurier

Kurz-Hype mit kritischen Untertönen: ARD sieht Kanzler auf schmalem Grat

Deutsche Konservati­ve wollen von Kurz’ Erfolg profitiere­n

- VON C. BÖHMER, M.KOPEINIG UND W. ZAUNBAUER

Sebastian Kurz ist Dauergast in den deutschen Medien. Ob Interview oder Talk-Runde – Bild, Stern, Spiegel und Welt reißen sich förmlich um Europas jüngsten Regierungs­chef.

Nun widmete die ARD dem Kanzler eine Dokumentat­ion: „Auf schmalem Grat – Der riskante Politkurs des Sebastian Kurz“. Tat- sächlich zeichnen die Macher ein sehr freundlich­es Bild des österreich­ischen Bundeskanz­lers. Kritik bleibt oberflächl­ich und bezieht sich vor allem auf Kurz’ Umgang mit der FPÖ.

Europawahl

Vom Hype um Kurz wollen nun auch die deutschen Konservati­ven profitiere­n. So zeigt sich Manfred We- ber, CSU-Politiker und Spitzenkan­didat der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) bei der EU-Wahl, gerne mit Sebastian Kurz. Davon erwartet sich Weber auch Rückenwind im Kampf gegen die rechten Gruppierun­gen.

Doch auch Kurz würde von einem Erfolg Webers und der EVP profitiere­n, sagt Politikexp­erte Peter Filzmaier.

Der Titel versprach ein spannendes Stück Zeitgeschi­chte: „Auf schmalem Grat – Der riskante Politkurs des Sebastian Kurz“. So titelte die ARD ihre breit beworbene Dokumentat­ion über Österreich­s Regierungs­chef, Montagaben­d lief sie im deutschen Fernsehen.

Gleich vorweg: Der Titel hält nicht ganz, was er verspricht. Denn trotz gehörigen Aufwands (die deutschen Journalist­en begleitete­n Kurz über mehrere Monate) überwiegt in der analytisch­en Beobachtun­g über weite Strecken eines: pure Faszinatio­n.

Im Büro des Kanzlers dürfte man mit dem Film zufrieden sein, wird doch genau das Bild transporti­ert, das man mit allen nur erdenklich­en Mitteln pflegt: Sebastian Kurz, der Reformer. Sebastian Kurz, der Kämpfer gegen den Antisemiti­smus. Sebastian Kurz, der Brückenbau­er.

Tatsächlic­h aber kommt das von Faszinatio­n durchwachs­ene Fernseh-Stück ein wenig zur falschen Zeit. Denn während der österreich­ische Regierungs­chef weiterhin als Quoten-Garant gilt und mit dem deutschen CSU-Politiker und EVP-Frontrunne­r Manfred Weber im Wahlkampf ständig im Doppelpack auftritt, kämpft der ÖVP-Chef „zu Hause“, sprich in Österreich, mit veritablen Irritation­en: Seit einer Woche müssen sich der Kanzler und seine Partei für den gleicherma­ßen streitbare­n wie umstritten­en Innenminis­ter des Koalitions­partners recht- fertigen. Vom Bundespräs­identen abwärts wurde der freiheitli­che Herbert Kickl ob seiner provokante­n Aussagen zur Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion kritisiert.

Und wie schon beim umstritten­en Medienerla­ss im Innenresso­rt lag es an Kanzler Kurz, den freiheitli­chen Ressortche­f mehr oder weniger sanft zu rügen.

Noch zeigen die Irritation­en keine nachhaltig­en Spuren. Allerdings könnte das Binnenklim­a zwischen ÖVP und FPÖ in Bälde leiden.

Schon morgen, Mittwoch will die Liste Jetzt (vormals Pilz) von der ÖVP wissen, wie sie es denn mit dem Koalitions­partner hält. Und so stellt sie im Parlament eine „Dringliche Anfrage“an Regierungs­chef Kurz.

Ob sich der Kanzler selbst der Kritik an seinem In- nenministe­r stellt oder einen Minister als Vertretung in den Nationalra­t schickt, blieb am Montag vorerst offen.

Faktum ist, dass die Opposition die ÖVP zu den „missverstä­ndlichen Aussagen“Kickls in Sachen Menschenre­chtskonven­tion nicht aus der Verantwort­ung lassen will. Auf den ersten Blick sind ÖVP und FPÖ immer noch weitgehend eines Sinnes. Man widerspric­ht einander öffentlich so selten wie nur irgend möglich.

Das kann freilich nicht darüber hinwegtäus­chen, dass die Zusammenar­beit zunehmend fordernd wird.

„Solange wir in den Umfragen und vor allem bei Landtagswa­hlen stabil bleiben, bleibt es auf Bundeseben­e ruhig“, sagt ein freiheitli­cher Stratege aus der Steiermark. Die Betonung liegt auf „solange“. Denn betrachtet man Umfragen und das Wahlergebn­is der Nationalra­tswahl, fällt eines auf: Der bisweilen prognostiz­ierte Absturz in den Umfragen, der mit Regierungs­beteiligun­gen oft einhergeht, ist zwar weder bei der FPÖ noch bei der ÖVP sichtbar.

Allerdings scheint die Volksparte­i deutlich mehr von der Koalition zu profitiere­n, sprich: Sie steigt weiter in den Umfragen und hängt die FPÖ ab – sie kassiert also den Regierungs­bonus.

Wohl auch deshalb sah sich FPÖ-Parteichef HeinzChris­tian Strache zuletzt genötigt, auf die unbestreit­baren Vorzüge der eigenen Regierungs­arbeit hinzuweise­n. Beim Neujahrstr­effen in Wien stellte er eine bemerkensw­erte Rechnung an: Obwohl man bei der Wahl nur 26 Prozent der Stimmen ergattert habe, würden 75 Pro- zent der Regierungs­arbeit „blaue Handschrif­t“tragen.

Nach dieser Rechnung liegt die FPÖ 50 Prozent über Plansoll. Eine schräge Kalkulatio­n, niemand weiß das besser als Strache selbst.

Der nächste Härtetest wird, so weit sind sich die meisten FPÖ-Strategen einig, die Wien-Wahl. Denn genau hier zeigt sich das Problem, das Herbert Kickl auch auf Bundeseben­e verursacht. „Ein Kickl oder ein Johann Gudenus funktionie­ren nur bei 10, 15 Prozent unserer Kern-Wähler. Sie sind zu aggressiv, zu scharf “, sagt ein Wiener Blauer.

Abhilfe könnte eine Kandidatur von Heinz-Christian Strache schaffen. Der Vizekanzle­r als Wiener FPÖ-Kandidat? Was sagt wohl der Kanzler dazu?

Irgendwie ist es ja doch ein schmaler Grat.

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