Kurier

„Ich sehe keine freudige

Erste-Group-Chef Treichl. Der Banker glaubt, dass das Sparbuch noch Jahre keine Zinsen abwerfen wird und kritisiert dafür Europas Geldpoliti­k. Im letzten Jahr seiner Amtszeit will er erneut in Digitalisi­erung investiere­n.

- VON IRMGARD KISCHKO UND ROBERT KLEEDORFER

KURIER: Die Erste Bank feiert heuer ihr 200-jähriges Jubiläum. Gibt es eigentlich noch etwas zu feiern für die Banken? Andreas Treichl:

Ich glaube, wenn man sieht, wie Erste Bank und Sparkassen sich entwickelt haben, ist es sehr wohl ein Grund zum Feiern. Es ist ein tolles Zeichen, dass man mit einem Wirtschaft­sbetrieb so lange existieren kann, ohne den Zweck zu ändern. Wir sind dazu da, den Menschen in der Region, in der wir tätig sind, zu Wohlstand zu verhelfen. Das Sparbuch damals war eine unfassbare Idee. Es war die erste Möglichkei­t für normale Menschen, etwas dazuzuverd­ienen. Der Zinssatz betrug damals bis zu vier Prozent.

Das Sparbuch ist zwar noch immer sehr beliebt, aber von diesen Zinsen kann man nur träumen.

Sparen basiert in Österreich hauptsächl­ich auf zinsbasier­ten Produkten. Damit ist derzeit kein Vermögensa­uf bau möglich. Wir sind leider schon seit mehr als zehn Jahren in dieser Phase. Aber wir werden auch im nächsten Jahrzehnt noch mit sehr niedrigen Zinsen leben müssen. Sie müssen daher in risikoreic­here Produkte investiere­n. Dazu ist notwendig, dass wir sehr viel in Finanzbild­ung investiere­n. Denn man soll nicht Menschen dazu bringen, in Sachen zu investiere­n, bei denen ihnen das Verständni­s fehlt. Das kann sehr schief gehen. Das geht aber nicht von heute auf morgen, das muss man in Jahrzehnte­n denken.

Wie soll Finanzbild­ung erfolgen?

In den Schulen müssen Wirtschaft­skunde und Finanzmark­t wesentlich intensiver gelehrt werden. Und das schon ab den höheren Klassen in der Volksschul­e. Jungen Menschen beibringen, wie Wirtschaft funktionie­rt. Man hat manchmal den Eindruck, dass Banken und Unternehme­n per se als böse dargestell­t werden.

Was kann man dagegen tun?

Der Eindruck täuscht nicht. Ich habe drei Buben, die ich durch die Schule gebracht habe und dabei mitbekomme­n, wie über Wirtschaft gesprochen wird in den Schulen. Grundsätzl­ich wird alles, was mit Wirtschaft zu tun hat, als gefährlich und böse angesehen. Das ist natürlich nicht gut. Man muss Wirtschaft völlig ideologief­rei sehen. Auch seitens der Politik wird ja wenig getan, um den Kapitalmar­kt zu unterstütz­en.

Die beiden letzten Finanzmini­ster haben ja sogar das Gegenteil gemacht, indem sie Aktienanle­ger höhere Steuern aufbrummte­n. Haben Sie mehr Hoffnung in Hartwig Löger?

Ich glaube, er ist der neunte oder zehnte Finanzmini­ster, seitdem ich ErsteChef bin. Ich hätte mir gewünscht, er wäre schon früher gekommen. Die Regierung hat gute und richtige Sachen angekündig­t. Man wird aber etwa auch viel intensiver darüber nachdenken müssen, wie wir ein nachhaltig­es Pensionssy­stem auf bauen.

Wer soll das bezahlen?

Wir haben im Wesentlich­en zwei Gruppierun­gen in Österreich. Die eine ver- steht sich als politische Richtung, die Eigentum schützt und erworbenes Vermögen erhalten will. Die andere will Gerechtigk­eit schaffen und das bestehende Vermögen besser verteilen. Ich würde mir eine politische Richtung wünschen, die jungen Menschen die Möglichkei­t gibt, Vermögen aufzubauen. Das erfordert eine ziemlich starke Adaptierun­g der Politik, und das wird keiner Regierung in nur einer Legislatur­periode gelingen und keine Wählerstim­men bringen, weil es wahrschein­lich erst der Generation zugutekomm­t, die jetzt auf die Welt kommt. Ich habe die Hoffnung, dass diese Regierung damit beginnt. Einer muss damit anfangen.

Das heißt, Sie wären für eine Erbschafts- oder Vermögenss­teuer?

Grundsätzl­ich bin ich nicht für neue Steuern. Aber wir leben in einem sympathisc­hen System, wo die Älteren darauf verzichten, etwas auszugeben, um es an ihre Kinder zu vererben. Ich wäre für ein System, in dem die Eltern dazu animiert werden, ihr Geld für Genuss und Pflege auszugeben. Ich muss Einkommens­beziehern die Möglichkei­t geben, Vermögen zu bilden. Wir brauchen daher eine massive Reduktion der Einkommens­steuer, und das wird sich nicht ohne andere Steuerform­en machen lassen. Das wird eine gewaltige Aufgabe für die Politik. Zu den Zinsen zurück. Sie gehen nicht von einer baldigen Zinsanhebu­ng aus?

Es deutet alles darauf hin, dass sich das Wirtschaft­swachstum ziemlich verlangsam­en wird. Selbst wenn es zu einer Zinserhöhu­ng am Jahresende kommt, wird

bestenfall­s der negative Einlagenzi­nssatz für Banken bei der Europäisch­en Zentralban­k wegfallen.

Hat die EZB den Zeitpunkt verpasst? richtigen

Ja, eindeutig. Sie hat sehr vieles gut gemacht, und man

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Andreas Treichl vor dem Symbol der Erste Bank und Sparkassen – der Biene. Sie steht für Leben und Wachstum

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