„Ich sehe keine freudige
Erste-Group-Chef Treichl. Der Banker glaubt, dass das Sparbuch noch Jahre keine Zinsen abwerfen wird und kritisiert dafür Europas Geldpolitik. Im letzten Jahr seiner Amtszeit will er erneut in Digitalisierung investieren.
KURIER: Die Erste Bank feiert heuer ihr 200-jähriges Jubiläum. Gibt es eigentlich noch etwas zu feiern für die Banken? Andreas Treichl:
Ich glaube, wenn man sieht, wie Erste Bank und Sparkassen sich entwickelt haben, ist es sehr wohl ein Grund zum Feiern. Es ist ein tolles Zeichen, dass man mit einem Wirtschaftsbetrieb so lange existieren kann, ohne den Zweck zu ändern. Wir sind dazu da, den Menschen in der Region, in der wir tätig sind, zu Wohlstand zu verhelfen. Das Sparbuch damals war eine unfassbare Idee. Es war die erste Möglichkeit für normale Menschen, etwas dazuzuverdienen. Der Zinssatz betrug damals bis zu vier Prozent.
Das Sparbuch ist zwar noch immer sehr beliebt, aber von diesen Zinsen kann man nur träumen.
Sparen basiert in Österreich hauptsächlich auf zinsbasierten Produkten. Damit ist derzeit kein Vermögensauf bau möglich. Wir sind leider schon seit mehr als zehn Jahren in dieser Phase. Aber wir werden auch im nächsten Jahrzehnt noch mit sehr niedrigen Zinsen leben müssen. Sie müssen daher in risikoreichere Produkte investieren. Dazu ist notwendig, dass wir sehr viel in Finanzbildung investieren. Denn man soll nicht Menschen dazu bringen, in Sachen zu investieren, bei denen ihnen das Verständnis fehlt. Das kann sehr schief gehen. Das geht aber nicht von heute auf morgen, das muss man in Jahrzehnten denken.
Wie soll Finanzbildung erfolgen?
In den Schulen müssen Wirtschaftskunde und Finanzmarkt wesentlich intensiver gelehrt werden. Und das schon ab den höheren Klassen in der Volksschule. Jungen Menschen beibringen, wie Wirtschaft funktioniert. Man hat manchmal den Eindruck, dass Banken und Unternehmen per se als böse dargestellt werden.
Was kann man dagegen tun?
Der Eindruck täuscht nicht. Ich habe drei Buben, die ich durch die Schule gebracht habe und dabei mitbekommen, wie über Wirtschaft gesprochen wird in den Schulen. Grundsätzlich wird alles, was mit Wirtschaft zu tun hat, als gefährlich und böse angesehen. Das ist natürlich nicht gut. Man muss Wirtschaft völlig ideologiefrei sehen. Auch seitens der Politik wird ja wenig getan, um den Kapitalmarkt zu unterstützen.
Die beiden letzten Finanzminister haben ja sogar das Gegenteil gemacht, indem sie Aktienanleger höhere Steuern aufbrummten. Haben Sie mehr Hoffnung in Hartwig Löger?
Ich glaube, er ist der neunte oder zehnte Finanzminister, seitdem ich ErsteChef bin. Ich hätte mir gewünscht, er wäre schon früher gekommen. Die Regierung hat gute und richtige Sachen angekündigt. Man wird aber etwa auch viel intensiver darüber nachdenken müssen, wie wir ein nachhaltiges Pensionssystem auf bauen.
Wer soll das bezahlen?
Wir haben im Wesentlichen zwei Gruppierungen in Österreich. Die eine ver- steht sich als politische Richtung, die Eigentum schützt und erworbenes Vermögen erhalten will. Die andere will Gerechtigkeit schaffen und das bestehende Vermögen besser verteilen. Ich würde mir eine politische Richtung wünschen, die jungen Menschen die Möglichkeit gibt, Vermögen aufzubauen. Das erfordert eine ziemlich starke Adaptierung der Politik, und das wird keiner Regierung in nur einer Legislaturperiode gelingen und keine Wählerstimmen bringen, weil es wahrscheinlich erst der Generation zugutekommt, die jetzt auf die Welt kommt. Ich habe die Hoffnung, dass diese Regierung damit beginnt. Einer muss damit anfangen.
Das heißt, Sie wären für eine Erbschafts- oder Vermögenssteuer?
Grundsätzlich bin ich nicht für neue Steuern. Aber wir leben in einem sympathischen System, wo die Älteren darauf verzichten, etwas auszugeben, um es an ihre Kinder zu vererben. Ich wäre für ein System, in dem die Eltern dazu animiert werden, ihr Geld für Genuss und Pflege auszugeben. Ich muss Einkommensbeziehern die Möglichkeit geben, Vermögen zu bilden. Wir brauchen daher eine massive Reduktion der Einkommenssteuer, und das wird sich nicht ohne andere Steuerformen machen lassen. Das wird eine gewaltige Aufgabe für die Politik. Zu den Zinsen zurück. Sie gehen nicht von einer baldigen Zinsanhebung aus?
Es deutet alles darauf hin, dass sich das Wirtschaftswachstum ziemlich verlangsamen wird. Selbst wenn es zu einer Zinserhöhung am Jahresende kommt, wird
bestenfalls der negative Einlagenzinssatz für Banken bei der Europäischen Zentralbank wegfallen.
Hat die EZB den Zeitpunkt verpasst? richtigen
Ja, eindeutig. Sie hat sehr vieles gut gemacht, und man