Kurier

„Feinstaub führt zu Atemwegser­krankungen“

Diskussion. Lungenarzt: „150 bis 170 Tote durch Verkehr, aber 10.000 durch Zigaretten­rauch“

- – ERNST MAURITZ

3800 Lungenfach­ärzte hat die „Deutsche Gesellscha­ft für Pneumologi­e und Beatmungsm­edizin“als Mitglieder. Etwas mehr als 100 von ihnen haben sich gegen die aktuellen Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub ausgesproc­hen – eine ausreichen­de wissenscha­ftliche Basis dafür würde fehlen.

Die Folge ist eine Diskussion in Deutschlan­d – wobei die offizielle Position der DGP eine andere ist: „Luftschads­toffe gefährden unsere Gesundheit – besonders die von Kindern, älteren Menschen und Erkrankten.“

Situation in Österreich

„Wir sind überzeugt, dass Feinstaub, ganz gleich aus welcher Quelle, zu Atemwegs- und Lungenerkr­ankungen führt“, sagt auch Lungenfach­arzt Bernd Lamprecht, Generalsek­retär der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Pneumologi­e (ÖGP): „Die Diskussion in Deutschlan­d wird aber unverhältn­ismäßig geführt. Es gibt in Österreich jährlich 150 bis 170 frühzeitig­e Todesfälle durch die Feinstaubb­elastung aus dem Verkehr, vor allem durch Stickoxide und Dieselpart­ikel. Aber wir haben mehr als 10.000 Todesfälle jährlich durch den Zigaretten­rauch.“

Selbstvers­tändlich müsse man weitere Schritte auch gegen den Feinstaub aus dem Verkehr unternehme­n: „Das Hauptprobl­em ist aber ein anderes. Wir haben in Lokalen, in denen geraucht wird, auch in den Nichtrauch­erbereiche­n eine Feinstaubb­elastung bis zum Fünffachen jener in der Außenluft.“

Bereits eine kurzzeitig­e erhöhte Feinstaubb­elastung – egal ob in einem Lokal oder an einer stark befahrenen Straße – könne zu Entzündung­sprozessen in den Atemwegen führen: „Menschen, die an viel befahrenen Straßen leben, haben eine schlechter­e Lungengesu­ndheit – unabhängig von anderen Risikofakt­oren.“

Eine ungefährli­che Feinstaubb­elastung gebe es nicht: „Das ist eine schleichen­de Gefahr.“Die derzeitige­n Grenzwerte seien sicher nicht zu niedrig, aber eben auch nur eine willkürlic­he Krücke, sagt Lamprecht: „Die WHO tritt für noch deutlich niedrigere Werte ein.“

„Tausende Studien“

„Es gibt tausende Studien, die eine schädliche Wirkung von Feinstaub belegen“, sagt auch der Umweltmedi­ziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien. Akut können Husten- und Asthmaanfä­lle, aber auch Herzrhythm­usstörunge­n und Herzinfark­te ausgelöst werden. „Langfristi­ge Effekte sind zum Beispiel eine Beeinträch­tigung des Lungenwach­stums bei Kindern sowie der Gehirnfunk­tion bei Kindern und auch älteren Menschen.“Seit 2013 werde die Verschmutz­ung der Außenluft durch die Weltgesund­heitsorgan­isation als nachweisli­ch krebserreg­end eingestuft.

Darüber hinaus gebe es immer mehr „wissenscha­ftliche Evidenz“für weitere Gesundheit­sbeeinträc­htigungen. „Im Schnitt verkürzt die Belastung mit Luftschads­toffen in Österreich die Lebenserwa­rtung um zirka acht Monate.“Der Rückgang der Gesamtbela­stung mit Feinstaub seit 2011 sei zwar erfreulich, aber das Problem sei damit nicht gelöst, betont Hutter: „Es gibt nach wie vor viele neuralgisc­he Punkte etwa an viel befahrenen Straßen, wo es zu hohen Feinstaubk­onzentrati­onen kommt.“

Die WHO empfiehlt ein maximales Tagesmitte­l an Feinstaubb­elastung von 50 Mikrogramm/m³. Dieses wurde 2018 laut Umweltbund­esamt „an zirka 90 % aller Messstelle­n überschrit­ten“(an einem oder mehreren Tagen). An drei Meßstellen in Graz gab es an mehr als 25 Tagen solche Überschrei­tungen (max. 25 sind laut Immissions­schutzgese­tz Luft zulässig) . Der WHO-Richtwert für das Jahresmitt­el von 20 Mikrogramm/m³ wurde an 40 Prozent der Messstelle­n überschrit­ten.

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