Kurier

Kronprinz Rudolf und die geheimnisv­olle Schatulle

130 Jahre Mayerling. Ein Mitglied der Familie Habsburg soll im Besitz der Tatwaffe sein, durch die der Sohn des Kaisers und Mary Vetsera starben

- Geschichte­n mit Geschichte VON GEORG MARKUS

Heute vor 130 Jahren ereignete sich die Tragödie von Mayerling. Ein Grund für die monarchist­ische Vereinigun­g „SchwarzGel­be Allianz“in der Kapuzinerg­ruft eine Gedenkmess­e abzuhalten. Allerdings nur für Kronprinz Rudolf, nicht aber für die 17-jährige Mary Vetse- ra, die er mit in den Tod nahm. Ihr Name wird in der Einladung nicht einmal erwähnt.

Es kursieren immer noch zahllose Gerüchte, wie es zu der Katastroph­e kam, die der Sohn des Kaisers – so viel steht fest – ausgelöst hat. Eine wichtige Rolle, die zur endgültige­n Klärung führen könnte, spielt eine geheimnisv­olle Schatulle, die die Tatwaffe enthalten soll. Aber die Habsburger wollen sie nicht herausgebe­n.

Rudolfs Revolver

Otto Habsburg, der Sohn des letzten Kaisers, hat mir 1993 in einem Interview erklärt, im Besitz dieser Schatulle zu sein. Sie wurde ihm 1985 von Kurt Paümann in einem Hambur- ger Bankhaus überreicht. In der 20 x 12 cm großen Schatulle soll sich neben Rudolfs Armeerevol­ver je eine Locke der beiden Toten und ein Taschentuc­h befunden haben.

Paümann hatte die Kassette von seinem Vater Eduard von Paümann, einem engen Mitarbeite­r Kaiser Karls, erhalten, als dieser im November 1918 Wien fluchtarti­g verließ. Paümann junior retournier­te die Kassette 67 Jahre später dem Sohn des Kaisers.

Als ich nun Otto Habsburg fragte, ob er wirklich im Besitz dieser Schatulle sei, antwortete er: „Ja, mir wurden einige Dokumente übergeben, die im Zusammenha­ng mit dem Tod des Kronprinze­n stehen.“

Frage: „Befindet sich in der Schatulle auch der Revolver, mit dem Kronprinz Rudolf geschossen hat?“

Habsburg: „Ich möchte in diesem Zusammenha­ng nicht über Einzelheit­en sprechen.“

Wo ist die Schatulle?

Frage: „Wo sind die Gegenständ­e heute“(im Jahr 1993)?

Habsburg: „Schauen Sie, ich befasse mich sehr viel mit Geschichte, aber nur dann, wenn sie uns weiterführ­t, daher habe ich kein Interesse an Mayerling. Ich habe das Konvolut einem Angehörige­n meiner Familie gegeben, der sich dafür eher interessie­rt.“

Den Namen des Familienmi­tglieds wollte er nicht nen- nen. Immerhin erklärte Habsburg, dass der Inhalt der Schatulle die Version eines Doppelmord­es bestätigen würde (Rudolf tötete Mary und dann sich selbst). Und dann sagte Otto noch: „Solange ich lebe, wird das Geheimnis von Mayerling nicht restlos geklärt werden.“

Nun ist Otto Habsburg seit sieben Jahren tot, doch über Mayerling schwebt nach wie vor der Mythos des Geheimnisv­ollen. Ich fragte daher Ottos Sohn Karl Habsburg, ob er heute im Besitz der Kassette sei. Er verneinte. Den Besitzer zu eruieren, ist unmöglich: Es gibt weltweit rund 500 Mitglieder des Hauses Habsburg.

Der Mythos von Mayerling lebt heute noch, weil die Habsburger 1889 dafür sorgten, dass der Fall nicht restlos geklärt wurde. Daran hat sich 130 Jahre später nichts geändert. Und so wird der Mythos wohl ewig weiterlebe­n.

georg.markus@kurier.at

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Bis jetzt wurde Kronprinz Rudolfs Tatwaffe nicht freigegebe­n
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