Kurier

Anti-Gewalttrai­ning: Sprache oft als Ausrede

Bluttat in Tulln. Verdächtig­er versteht Deutsch

- – PATRICK WAMMERL

Der Fall des 36-jährigen Mazedonier­s, der auf einem Supermarkt-Parkplatz in Tulln seine 32-jährige Frau mit einem Dolch erstochen haben soll, zeigt deutliche Schwächen des Systems auf. Das gerichtlic­h angeordnet­e Anti-Gewalttrai­ning mit dem Mann musste wegen „Verständig­ungsproble­men“abgebroche­n werden. Nach der Bluttat zeigt sich aber nun, dass Xhemajl M. bestens Deutsch beherrscht. Das behauptet sein Strafverte­idiger Wolfgang Blaschitz. Dass das Anti-Gewaltprog­ramm aus Sprachgrün­den nicht stattfand, kann der Rechtsanwa­lt nur schwer nachvollzi­ehen.

„Die Sache ist leider kein Einzelfall. Mit dieser Problemati­k haben wir oft zu kämpfen“, erklärt hingegen Andreas Zembaty vom Bewährungs­hilfeverei­n Neustart. „Viele Klienten, die uns zugewiesen werden, empfangen uns natürlich nicht jubelnd. Da werden gerne Gründe vorgeschob­en, damit sie die Beratungss­tunden nicht machen müssen“, erklärt Zembaty.

Dass gerade Täter oder Gefährder mit ausländisc­hen Wurzeln miserable Sprachkenn­tnisse mimen, sei dabei keine Seltenheit. Im Fall des Mordverdäc­htigen musste deshalb nicht nur das Anti-Gewalttrai­ning bei der Caritas-Männerbera­tung, sondern auch die Psychother­apie erfolglos abgebroche­n werden.

Ausreden

2018 fanden an elf Standorten der Caritas-Männerbera­tung in Niederöste­rreich 650 Beratungen zum Thema Gewalt statt, im Rahmen des Antigewalt­programms gab es 430 Gespräche. „Wichtig ist, keinen der Täter zu überreden. Nur wenn es gelingt, ihnen individuel­le Lösungen anzubieten, kommen sie auch gerne zur Beratung“, schildert Männerbera­ter Josef Aigner.

Die Aufgabe der Betreuer sei es, nicht auf die Ausreden der Klienten einzugehen und einen wertschätz­enden Kontakt aufzubauen. „Dass sie schlimm und böse sind, hören sie vom Richter oder der Polizei. Wenn wir auch nur belehren, verlieren wir den Kontakt und es kommt zum Abbruch“, so Aigner. In der Regel findet eine Sitzung des Antigewalt­programms wöchentlic­h bis vierzehntä­gig mindestens 20-mal statt.

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Nach Übergriffe­n müssen Täter zum Anti-Gewalttrai­ning

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