Der Blut-Druck wurde zu hoch
Vierter Fall in Österreich. Radfahrer Georg Preidler machte eine Selbstanzeige, bevor der Doping-Arzt auspackt
Die Doping-Botschaft, die aus Österreich zuletzt in die Sportwelt gegangen ist, ist erschütternd. „Die Nerven liegen blank. Zumal immer mehr Betrugsmentalität im Alpenland aufgedeckt wird“, stand in der Montagsausgabe der Süddeutschen Zeitung. Diesen Text hat Thomas Kistner, der Doping-Experte der deutschen Tageszeitung, schon am Sonntag verfasst. Da konnte er noch gar nicht wissen, dass sich der nächste österreichische Ausdauersportler mittels Selbstanzeige geoutet hat.
Zu den Langläufern Max Hauke und Dominik Baldauf (am Mittwoch ertappt) und dem Radsportler Stefan Denifl (für ihn endete gestern die Unschuldsvermutung) gesellte sich dessen Kollege Georg Preidler (Selbstanzeige am Sonntag).
Sie alle sind gestolpert über die Zusammenarbeit mit dem deutschen DopingArzt aus Erfurt. Hauke und Baldauf waren schon Teil der Observierungen durch die Behörden. Der Name Denifl fiel bei den Einvernahmen der mutmaßlichen Komplizen. Die Innsbrucker Staatsanwaltschaft bestätigte gestern offiziell Ermittlungen gegen den Tiroler Radprofi Stefan Denifl. Der 31Jährige soll bei Einvernahmen zugegeben haben, die Methode des Blutdopings angewandt zu haben.
Und Preidler wusste, dass man irgendwann einen der 40 in einem Kühlschrank in einer Garage gefundenen Blutbeutel ihm zuordnen können wird. Der 28-Jährige hatte im Sommer 2016 seinen sportlich größten Auftritt, als er bei einer Etappe des Giro d’Italia Platz drei belegen konnte. Preidler argu- mentiert, dass er sich das Blut nur abnehmen ließ, aber nicht rückführen. Doch Manipulation des Blutes gilt bereits als Doping, weshalb eine Sperre für Preidler als sicher gilt. Strafrechtlich gilt es zu klären, ob es sich schon um Sportbetrug handelt. Preidler selbst gibt den Versuch des Betrugs zu und hat auch schon seine Radkarriere für beendet erklärt. „Ja. Ich hatte betrügerische Absichten oder Gedanken“, sagt er. Zu dieser Argumentation passt auch, dass der Arzt auf ihn zugekommen sei und dass dieser sogar extra in die Steiermark gereist sei, um dort die Blutabnahme durchzuführen.
Straferleichterungen
Otto Flum, der Präsident des österreichischen Radsportverbands(ÖRV), schlug harte Töne an: „Bevor nicht ein Sportler zu sechs Monaten Arrest verurteilt wird, wird das Gesetz nicht ernstgenommen“, sagte er. Flum forderte aber auch vom Europäischen Gerichtshof Maßnahmen ein. „Wegen dem Karfreitag hat er rasch entschieden, aber er soll auch ein gutes Antidopinggesetz schaffen, bei dem alle Länder mitziehen müssen. Man braucht eine internationale Basis.“Der Radsportverband verwies in einer Aussendung auf seine eigene „Null-Toleranz-Haltung“gegenüber Doping.
Tauscht man ÖRV gegen ÖSV aus – so liest sich das ähnlich, hört sich das fast wortgleich an. Und dennoch ist der Skiverband in weitaus schieferem Licht. Mittlerweile reibt man sich vor allem in Deutschland an der Argu- mentation von Präsident Peter Schröcksnadel. „Die Gauner sitzen woanders“, hatte der 77-Jährige im KURIERInterview gemeint, „die Zentrale ist schon in Deutschland, aber auf die Österreicher wird jetzt hingehaut.“Dass Schröcksnadel die Ausstrahlung eines bereits geführten Interview im Zuge einer aktuellen ARD-DopingDoku kurzfristig untersagte, sorgte für zusätzliche Kritik.
„Eine Art Regie der ÖSVSpitze ist in Austria deutlich spürbar – und zwar hinter der Stimmungsmache gegen jeden, der neben dem schwer angezählten Vorzeige-Verband in die Affäre verwickelt ist.“So analysierte die Süddeutsche die Zustände in der Alpenrepublik.
Beim ÖSV hat ein Mann dieser Tage besonders viel Rede- und Erklärungsbedarf. Markus Gandler, der für die Langläufer und Biathleten zuständige Nordische Direktor, absolviert gerade einen Interview-Marathon,um den Imageschaden vom Verband abzuwenden. Aus diesem Grund verzichtet der Kitzbüheler auch auf die geplante Reise zur Biathlon-WM nach Östersund. „ Ich würde nur schlechte Stimmung dorthin mitbringen“, erklärt Gandler, der selbst in den vergangenen Tagen „zu hundert Prozent“aufmunternde Mails und Anrufe erhalten hatte, gegenüber dem KURIER.
Spur nach Erfurt
Ohnehin dürfte die Atmosphäre in Östersund angespannt sein. Denn auch der Biathlonsport war zuletzt immer wieder ins Visier der Dopingjäger geraten. Und es würde nicht weiter verwundern, könnte der eine oder andere in Erfurt gefundene Blutbeutel einem Biathleten zugeordnet werden.
Die Fäden laufen jedenfalls in Erfurt zusammen. Der Doping-Arzt wurde schon 2009 von Rad-Doper Bernhard Kohl genannt. Der ehemalige Leichtathlet und Sportmanager Stefan Matschiner war 2010 in Wien wegen versuchten Blutdopings und der Weitergabe von illegalen Dopingmitteln rechtskräftig verurteilt worden. Er gab in der ARD-Doku zu, seine Gerätschaften besagtem Arzt in Erfurt überlassen zu haben.
Der sitzt seit Mittwoch in der Haftanstalt Stadelheim in München. Er hat die Gelegenheit, seine Strafe (bis zu zehn Jahren Haft) zu mildern. Das geht nur über Kooperation mit den Behörden und das Nennen der Namen seiner Kunden. Mit dem Österreicher Denifl hat er einen Anfang gemacht. Der Österreicher Preidler ist ihm zuvorgekommen.