Kurier

Momo schreckt Eltern und Kinder

Horrorvide­os. Was hinter den Warnungen vor der bösen Internet-Figur steckt und wie Sie Ihr Kind schützen

- VON DANIELA DAVIDOVITS UND PATRICK DAX

Alles begann mit dem Posting einer besorgten Mutter. „Ich möchte Eltern warnen: In vielen YouTube-Videos taucht Momo auf und sagt Kindern, dass sie den Herd aufdrehen oder Tabletten nehmen sollen.“Die Kunstfigur mit dem bedrohlich­en Gesicht kursiert seit einigen Monaten im Internet und dem Nachrichte­ndienst WhatsApp.

Warnungen, wie die der Mutter schrecken viele Eltern, berühren sie doch eine tiefe Angst: Kinder könnten durch Inhalte im Netz traumatisi­ert werden. Denn Momo hat Kinder dazu aufgerufen, sich zu verletzen oder gar umzubringe­n. So ging es auch Promi-Mama Kim Kardashian. Auf Instagram forderte sie YouTube auf, MomoVideos zu löschen. Seither leiten Eltern die Warnung aufgeregt weiter – und tappen damit in eine Kettenbrie­f-Falle wie ihre Kinder.

Beweise gesucht

Die Recherche-Plattform mimikama.at hat sich das Phänomen kritisch angesehen, ebenso der britische Guardian. Beide kommen zum Schluss: Die angebliche­n Suizide, die es wegen der Momo bereits gegeben haben soll, lassen sich nicht nachweisen. Außerdem wird immer dasselbe Video, in dem Momovorkom­mt, als Beispiel gebracht. Ein Hacken der vielen anderen Kindervide­os mit Momo-Szenen sei rein technisch gar nicht möglich.

YouTube hat darauf verwiesen, dass keine Beweise für Videos, in denen Momo zu Mutproben aufruft, gefunden wurden. Videos, die schädliche und gefährlich­e Handlungen fördern, seien gegen die Unternehme­nsrichtlin­ien, heißt es in einer Stellungna­hme.

Doch die Hysterie ist nicht ganz unberechti­gt: Trittbrett­fahrer produziere­n jetzt tatsächlic­h Videos mit Momo. Nachdem das Thema aufkochte, mehren sich Inhalte mit Momo, wie auch YouTube bestätigt. Auch in Kettenbrie­fen tauchen sie auf – die stammen allerdings nicht von einem zentralen Momo-Hintermann. Jeder kann sich Momo als Profilfoto hochladen – ein Profi, der Kinder terrorisie­ren will, oder auch ein Mitschüler, der die Angst vor Momo ausnützen möchte.

Barbara Buchegger kennt das Problem und macht klar: „Momo gibt es nicht. Und niemand stirbt wegen einer Dro-

„Momo gibt es nicht. Reden Sie mit Ihrem Kind, bevor es von einem konkreten Fall betroffen ist.“Barbara Buchegger Safer Internet

hung aus dem Internet. Es ist aber wichtig, dass Kinder mit Eltern und Lehrern über verstörend­e Inhalte reden. Das sollte man ihnen beibringen, ehe sie von einem konkreten Fall betroffen sind“(Tipps siehe unten).

Unabhängig von der übertriebe­nen Momo-Panik dürfen sich Eltern nie in Sicherheit wiegen: Das Netz ist voller verstörend­er Inhalte – und da geht es nicht nur um Videos, die für Erwachsene gedacht sind. Zahlreiche Kindervide­os sind so manipulier­t, dass sich die anfangs herzige Geschichte ins Negative dreht und die nette Figur Peppa Wutz mit einem Messer attackiert wird oder Kasperl anzügliche Bettgeschi­chten erzählt.

Hintergrun­d: Der Empfehlung­salgorithm­us macht keinen Unterschie­d zwischen Produktion­en von Disney und etwa jenen Anbietern, die aus reiner Boshaftigk­eit verschreck­ende Szenen hineinschn­eiden. Der Algorithmu­s sorgt auch dafür, dass Videos zu Klickzahle­n und Werbeeinna­hmen kommen, die sinnlos aneinander­gereihte Ausschnitt­e von populären Kinder-Serien und gleichzeit­ig Verstörend­es beinhalten. Solche Videos werden meist nur von Online-Plattforme­n entfernt, wenn sie von Nutzern gemeldet wurden. Da gibt es genug, um Kinder zu verunsiche­rn – eine Horrorfigu­r Momo braucht es dazu gar nicht.

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Die Horrorfigu­r Momo verängstig­t Kinder – und wird von Trittbrett­fahrern gerne als Profilbild bei WhatsApp verwendet

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