Momo schreckt Eltern und Kinder
Horrorvideos. Was hinter den Warnungen vor der bösen Internet-Figur steckt und wie Sie Ihr Kind schützen
Alles begann mit dem Posting einer besorgten Mutter. „Ich möchte Eltern warnen: In vielen YouTube-Videos taucht Momo auf und sagt Kindern, dass sie den Herd aufdrehen oder Tabletten nehmen sollen.“Die Kunstfigur mit dem bedrohlichen Gesicht kursiert seit einigen Monaten im Internet und dem Nachrichtendienst WhatsApp.
Warnungen, wie die der Mutter schrecken viele Eltern, berühren sie doch eine tiefe Angst: Kinder könnten durch Inhalte im Netz traumatisiert werden. Denn Momo hat Kinder dazu aufgerufen, sich zu verletzen oder gar umzubringen. So ging es auch Promi-Mama Kim Kardashian. Auf Instagram forderte sie YouTube auf, MomoVideos zu löschen. Seither leiten Eltern die Warnung aufgeregt weiter – und tappen damit in eine Kettenbrief-Falle wie ihre Kinder.
Beweise gesucht
Die Recherche-Plattform mimikama.at hat sich das Phänomen kritisch angesehen, ebenso der britische Guardian. Beide kommen zum Schluss: Die angeblichen Suizide, die es wegen der Momo bereits gegeben haben soll, lassen sich nicht nachweisen. Außerdem wird immer dasselbe Video, in dem Momovorkommt, als Beispiel gebracht. Ein Hacken der vielen anderen Kindervideos mit Momo-Szenen sei rein technisch gar nicht möglich.
YouTube hat darauf verwiesen, dass keine Beweise für Videos, in denen Momo zu Mutproben aufruft, gefunden wurden. Videos, die schädliche und gefährliche Handlungen fördern, seien gegen die Unternehmensrichtlinien, heißt es in einer Stellungnahme.
Doch die Hysterie ist nicht ganz unberechtigt: Trittbrettfahrer produzieren jetzt tatsächlich Videos mit Momo. Nachdem das Thema aufkochte, mehren sich Inhalte mit Momo, wie auch YouTube bestätigt. Auch in Kettenbriefen tauchen sie auf – die stammen allerdings nicht von einem zentralen Momo-Hintermann. Jeder kann sich Momo als Profilfoto hochladen – ein Profi, der Kinder terrorisieren will, oder auch ein Mitschüler, der die Angst vor Momo ausnützen möchte.
Barbara Buchegger kennt das Problem und macht klar: „Momo gibt es nicht. Und niemand stirbt wegen einer Dro-
„Momo gibt es nicht. Reden Sie mit Ihrem Kind, bevor es von einem konkreten Fall betroffen ist.“Barbara Buchegger Safer Internet
hung aus dem Internet. Es ist aber wichtig, dass Kinder mit Eltern und Lehrern über verstörende Inhalte reden. Das sollte man ihnen beibringen, ehe sie von einem konkreten Fall betroffen sind“(Tipps siehe unten).
Unabhängig von der übertriebenen Momo-Panik dürfen sich Eltern nie in Sicherheit wiegen: Das Netz ist voller verstörender Inhalte – und da geht es nicht nur um Videos, die für Erwachsene gedacht sind. Zahlreiche Kindervideos sind so manipuliert, dass sich die anfangs herzige Geschichte ins Negative dreht und die nette Figur Peppa Wutz mit einem Messer attackiert wird oder Kasperl anzügliche Bettgeschichten erzählt.
Hintergrund: Der Empfehlungsalgorithmus macht keinen Unterschied zwischen Produktionen von Disney und etwa jenen Anbietern, die aus reiner Boshaftigkeit verschreckende Szenen hineinschneiden. Der Algorithmus sorgt auch dafür, dass Videos zu Klickzahlen und Werbeeinnahmen kommen, die sinnlos aneinandergereihte Ausschnitte von populären Kinder-Serien und gleichzeitig Verstörendes beinhalten. Solche Videos werden meist nur von Online-Plattformen entfernt, wenn sie von Nutzern gemeldet wurden. Da gibt es genug, um Kinder zu verunsichern – eine Horrorfigur Momo braucht es dazu gar nicht.