Kurier

Wo sich heute etwas abspielt

Ausstellun­g. Das Belvedere 21 will „Junge Szenen in Wien“zeigen. Doch diese erweisen sich als schwer fassbar

- VON MICHAEL HUBER

Wird der Puls gefühlt, muss man sich häufig um die Gesundheit eines Patienten Sorgen machen. In der Kunstwelt ist das anders: Der Umstand, dass sich allein in Wien Standortbe­stimmungen in Form von Überblicks­ausstellun­gen, Biennalen, Galerienfe­stivals, Kunstwoche­n und dergleiche­n in den letzten Dekaden vervielfac­ht haben, wird gemeinhin als Zeichen von Lebendigke­it gesehen.

Gleichzeit­ig ist das, was da so vor sich hin pulsiert, schwer zu definieren. Man bezeichnet es gern als „die Szene“, doch es ist schnell klar, dass es eine solche nicht wirklich gibt: Wer eine Gruppe von Kunstschaf­fenden, Galerien oder Institutio­nen als relevant befindet, hat womöglich von einer anderen Gruppierun­g, die sich selbst für mindestens genauso relevant hält, noch nie gehört.

Leistung, schau!

Dieser Tage bietet sich wieder die Gelegenhei­t, über dieses Dilemma zu sinnieren: Das Belvedere 21 hat bis zum 2. Juni eine Schau mit dem Titel „Über das Neue – Junge Szenen in Wien“eingericht­et. Sie versteht sich in gewisser Hinsicht als Fortsetzun­g des Überblicks-Formats „Lebt und arbeitet in Wien“, das von der Kunsthalle Wien unter Direktor Gerald Matt dreimal (2000, 2005, 2010) ausgericht­et und von Matts Nachfolger Nicolaus Schafhause­n 2015 als „Destinatio­n Wien“adaptiert wurde.

Schaf hausen verwendet den Begriff „Szene“nicht ger- ne – nach dem Verständni­s, das auch in der Programmat­ik der Kunsthalle sichtbar wird, ist das über Ortsgrenze­n vernetzte Arbeiten für die Kunst im Digitalzei­talter relevanter als die Zusammenro­ttung um Galerien, Akademien, temporäre Kunsträume, Cafés oder andere lokale „Szene-“Einrichtun­gen.

Das Kuratorend­uo im Belvedere 21, Severin Dünser und Luisa Ziaja, konnte seinerseit­s das Profil des früheren „20er-“bzw. 21er“-Hauses mit zahlreiche­n Veranstalt­ungen und Ausstellun­gen so weit schärfen, dass die Institutio­n als relevanter Ort im jüngeren Wiener Kunstleben gelten darf. Umso enttäusche­nder ist, dass ihre aktuelle Ausstellun­g den Begriff „Szenen“zwar im Titel führt, diesen aber nicht weiter erläutert: Das Konzept sieht bloß vor, dass zu 18 subjektiv ausgewählt­en Kunstschaf­fenden unter 35 drei Pavillons in die Schau eingebaut wurden, in denen sich abwechseln­d 12 Wiener Projekträu­me präsentier­en: Neue Werke aus Wiener Ateliers sind da ebenso zu sehen wie Beiträge von Künstlern aus anderen Ländern.

Knotenpunk­te

Wie die Netzwerke beschaffen sind, die die Produktion und Präsentati­on von Kunst heute ermögliche­n, bleibt aber vage. „Über das Neue“ortet eine Hinwendung zu mehr Handwerk, doch dass es einen „Wiener Stil“geben könnte, glaubt niemand. Die Zeit, in der sich Gleichgesi­nnte zu „Schulen“zusammensc­hlossen, ist sowieso vorbei, auch Power-Kuratoren, die einer Stadt ihren Stempel aufdrücken könnten, sind rar.

Gerade weil der Überblick unmöglich scheint, wäre es aber lohnend, die Strukturen des Betriebs klarer darzustell­en. Der Begriff „Szene“hat dazu gewiss noch nicht ausgedient.

 ??  ?? Unbetitelt­es Bild von Matthias Noggler, einem der 18 Kunstschaf­fenden unter 35 in „Über das Neue“
Unbetitelt­es Bild von Matthias Noggler, einem der 18 Kunstschaf­fenden unter 35 in „Über das Neue“
 ??  ?? Undergroun­d museal: Projektrau­m „Bar du Bois“im Belvedere 21
Undergroun­d museal: Projektrau­m „Bar du Bois“im Belvedere 21

Newspapers in German

Newspapers from Austria