„Man hat sich gefragt, was in der Gesellschaft los ist“
Ethik. Lerneffekte nach Frauenmord-Serie
Die „attraktive Kellnerin“, die sich durch rote Rosen nicht mehr umstimmen ließ und ihren Partner verlassen wollte. Oder der Mann, der erfuhr, dass er betrogen wurde und darauf hin „völlig durcheinander“im Affekt handelte.
Bei solchen Formulierungen in Berichten über Frauenmorde kann Andrea Brem, Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäuser, nur den Kopf schütteln. Die oben genannten Beispiele stammen von heuer, aus der Medienberichterstattung über die erschreckende Serie an Frauenmorden.
Immer wieder gebe es Artikel, die Brem „unpackbar“findet. „Aber Journalisten können einfach eine Opferschutzeinrichtung anrufen und ein paar Fakten einholen. Durch den gesamtgesellschaftlichen Kontext kann man auch die Opferseite abbilden“, sagt Brem. „Man soll sich einfach überlegen, ob man das auch so lesen wollen würde, wenn es um die eigene Schwester ginge.“
Zum respektvollen Umgang mit dem Opfer gehöre auch, dass keine Bilder ohne Einverständnis der Angehörigen veröffentlicht werden. Beim Verein Wiener Frauenhäuser denkt man darüber nach, einen neuen Leitfaden für Medien zu erstellen.
Höhere Sensibilität
Trotz einiger Negativbeispiele beurteilt Brem die Berichterstattung zu Beginn des Jahres großteils positiv: „Ich habe gut gefunden, dass so massiv berichtet wurde“, meint Brem. „Es ist erstmals nicht mehr um Einzelschicksale gegangen, sondern man hat sich damit beschäftigt, was da in der Gesellschaft los ist.“
Brem würde sich wünschen, dass Medien länger an dem Thema dranbleiben. Viel sei über das Maßnahmenpaket der Regierung im Vorfeld diskutiert worden. „Jetzt liegt der Ministerratsbeschluss vor und es interessiert niemanden mehr. Es gäbe da schon spannende Sachen, zum Beispiel, was aus der Ankündigung der Täterarbeit geworden ist. Und dann sind vielleicht auch gute Dinge drinnen, über die man auch sprechen sollte.“
Wenn über Morde oder Gewalt an Frauen berichtet wird, häufen sich die Anrufe in den Frauenhäusern in der Regel. Nach der Mordserie Anfang des Jahres war das jedoch nicht der Fall. „Warum, wissen wir auch nicht, aber da kann man keine 100-prozentigen Vorhersagen treffen.“
Hilfseinrichtungen in Berichten über Gewalttaten zu nennen, sollte mittlerweile Standard sein, findet Brem. Damit erreiche man nicht nur Betroffene selbst, sondern auch das Umfeld. Wichtig sei auch, zu vermitteln, was Betroffene im Frauenhaus erwarte. „Es erfordert so viel Mut, wenn eine Frau misshandelt wird, die Kinder und ein paar Sackerln zu schnappen und irgendwohin zu gehen, wo sie nicht weiß, wer dort ist. Wenn Frauen sehen, wie es dort aussieht, nimmt das vielleicht die Sorge.“
Bei Interviews mit Betroffenen war Brem zunächst selbst skeptisch.Für das ORFMagazin „Thema“ließ sie sich überreden und fragte bei ihren Klientinnen, ob eine von ihnen ein Interview geben wolle. „Es war dann ein guter Beitrag, mit dem auch die Frau zufrieden war. Sie hat anderen Mut gemacht, sich aus der Gewaltspirale zu lösen.“
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