Kurier

„Diskutiere­n statt auswendig lernen“

Bildung. Die Regierung besuchte eine Schule, in der läuft, was kommen soll – ein Ethik-Unterricht

- – JOHANNES ARENDS

Die beiden Polizeiaut­os sind ein ungewohnte­r Anblick vor der Glasfront des Gymnasiums in der Pichelmaye­rgasse – sie sind wegen der Gäste da, die sich ausnahmswe­ise den Unterricht anschauen. Denn hier, in Wien-Favoriten, können Oberstufen­schüler probeweise – und das seit Jahren – in den Ethik-Unterricht gehen, wenn sie sich vom Religionsu­nterricht abgemeldet haben. Auch im Inneren der Schule herrscht Ausnahmezu­stand: Im Stiegenhau­s versammeln sich Medienvert­reter vor einem provisoris­chen Podium. Sebastian Kurz, Heinz-Christian Strache und Heinz Faß- mann verkündete­n am Dienstag ihren Plan zum Ethikunter­richt. In Begleitung von Direktorin Margit Wochesländ­er gehen sie in eine Klasse, die Schüler warten schon.

„Ihr habt also im Mai Matura?“, fragt der Kanzler, nachdem er einigen Schülerinn­en förmlich die Hände geschüttel­t hat. „Und die Maturareis­e ist auch schon organisier­t?“

Bei der anschließe­nden Pressekonf­erenz wird es dann tiefgründi­ger. Ab Herbst 2020 soll an allen Schulen österreich­weit Ethik angeboten werden. Dazu brauche es rund 1.500 Lehrer, die eine Zusatzausb­ildung absolviere­n.

Faßmann ist zuversicht­lich, dass sich das bis zum Termin ausgeht. „Auch ein Physik- oder Mathematik­lehrer kann und soll diese Zusatzausb­ildung machen“, so der Bildungsmi­nister. Langfristi­g soll an den Universitä­ten auch ein Ethik-Lehramtstu­dium angeboten werden.

Hauptsache nicht frei

Unzählige Schüler stehen und sitzen im offenen Stiegenhau­s des Gymnasiums und hören zu. Weil der Tag der Pressekonf­erenz auf den Faschingsd­ienstag fällt, tragen die meisten Verkleidun­gen. Tiere, Hexen, Surfer und Superhelde­n lauschen der Regierungs­spitze – was für ein Bild.

Laut Direktorin Wochesländ­er hat sich an ihrer Schule etwa ein Drittel der Schüler für den Ethikunter­richt entschiede­n. Der Wegfall der Freistunde – für viele Jugendlich­e durchaus verlockend – habe dazu geführt, dass sich wieder mehr von ihnen für den Religionsu­nterricht angemeldet haben.

Die 17-jährige Selina sieht das ähnlich: „In der fünften Klasse hätte ich mich wahrschein­lich abgemeldet – um freizubeko­mmen.“Inzwischen sei sie aber froh, in Ethik zu gehen, denn anders als im inhaltlich ähnlichen Fach Philosophi­e „diskutiert man, statt auswendig zu lernen“.

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