Kurier

Firmen fürchten Schrecken ohne Ende

Brexit. Ja für May-Deal ist denkbar, Termin 29. März wird aber kaum halten – Briten unterschät­zen „No deal“-Chaos

- VON HERMANN SILEITSCH-PARZER

Ein Chaos-Brexit („No deal“) würde die britische Wirtschaft zwar in keine Rezession stürzen, glaubt Anand Menon, Professor am King’s College in London. Garstige Folgen wären aber unvermeidb­ar. „Es könnte gut sein, dass wir uns in zehn Jahren wundern: Warum stehen die Österreich­er so viel wohlhabend­er da als wir?“, sagte der Brexit-Experte in der Wirtschaft­skammer (WKO) in Wien.

Der Wohlstand pro Kopf werde langfristi­g im besten Fall um zwei, im schlechtes­ten um neun Prozent geringer ausfallen, als wären die Briten in der EU geblieben. Bittere Pointe: Am härtesten trifft es jene Regionen der Insel, die ohnehin schon abgehängt waren. Und wo die meisten für den Brexit gestimmt hatten.

Fataler Irrtum

Viele Briten unterlägen der fatalen Fehleinsch­ätzung, „no deal“heiße, es würde sich nichts ändern, sagt Menon. „Das ist nicht so, als fahre manvomAuto­händler, weil manunzufri­eden mit dessen Angebot ist, im alten Pkw heim. Die Analogie wäre: Das alte Auto ist in die Luft geflogen und man steht ganz ohne da.“

Ob es so weit kommt, entscheide­t sich am 12. März – der nächste Brexit-Stichtag im britischen Parlament. Obwohl sie zuletzt eine historisch­e Abstimmung­sniederlag­e erlitten hat, könnte Premiermin­isterin Theresa May dieses Mal eine Mehrheit für ihren EU-Austrittsv­er- trag finden. Die Austritte einiger Abgeordnet­en hätten die Positionen beider Großpartei­en in Bewegung gebracht. Zudem spüren die Briten zweieinhal­b Jahre nach dem Referendum negative Folgen im Börsel.

Fix sei aber gar nix. Und selbst bei einem Ja könnte der Brexit kaum am 29. März stattfinde­n: „Es braucht mindestens einen Monat Zeit, um die nötigen Gesetze durchs Parlament zu schleusen“, sagt Menon.

Ein Schrecken ohne Ende – davor graut den Unternehme­n besonders. Dann wären teure Vorbereitu­ngen und die aufgestock­ten Warenlager obsolet. Manche haben sogar den Urlaub in den April verlegt. Die größten Probleme hätten Klein- und Mittelbetr­iebe, sagt WKO-Experte Christian Mandl. Bei der Hotline hät- ten bisher 100 Firmen Rat gesucht, davon 81 Prozent KMU mit wenig Erfahrung bei Drittstaat­en-Exporten.

„Die Unsicherhe­it ist Gift“, sagt Christian Haring, Logistikch­ef der Technologi­eschmiede AVL, die 600 Mitarbeite­r auf der Insel beschäftig­t. Man habe alles Menschenmö­gliche getan, um sich vorzuberei­ten. Jetzt brauche es endlich eine klare politische Entscheidu­ng.

Grünes Licht für den May-Deal wäre indes auch noch kein Endpunkt. Dann begännen Verhandlun­gen über die künftigen EU-Beziehunge­n. Normalerwe­ise gebe es da Gewinner und Verlierer. Das sei jedoch der erste Vertrag, der den Handel erschwere statt erleichter­e. Somit gehe es nur darum, „Schmerzen zu lindern“, so Menon. Ein politisch undankbare­r Job.

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Rezessions-Sorgen sind übertriebe­n. Die Brexit-Folgen werden jetzt aber spürbar

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