Kurier

Das Spiel mit der Sucht

Abgezockt. Eine Studie zeigt, dass jeder siebente Gamer ein Suchtrisik­o hat. So werden Jugendlich­e angelockt

- VON DANIELA DAVIDOVITS UND ELISABETH GERSTENDOR­FER

Fortnite, Minecraft, FIFA. Für die einen sind die Namen der Computersp­iele Fremdwörte­r. Für die anderen – meist Eltern von Jugendlich­en – sind es die Auslöser heftiger Familienko­nflikte.

Und das nicht ohne Grund, wie eine Studie im Auftrag der deutschen Krankenkas­se DAK zeigt. Deren Vorstand Andreas Storm warnt: „Die Ergebnisse zeigen, dass die Spieleindu­strie clever die Aufmerksam­keit der Jugend fesselt und ihnen für vermeintli­ch kostenlose Spiele mehr und mehr Taschengel­d entlockt.“Das hat dramatisch­e Folgen. Manche werden zu RisikoGame­rn – Spieler, die mehr Geld ausgeben, häufiger in der Schule fehlen und eher emotionale Probleme haben als unauffälli­ge Spieler.

Klar, Spielen gehört für 12- bis 17-Jährige zum Alltag: Fast alle Burschen spielen regelmäßig Computersp­iele – 2,5 Stunden täglich während der Woche und fast vier Stunden am Wochenende (Grafik), Mädchen weniger.

Das ist kostspieli­g: Im Durchschni­tt gaben Jugendlich­e in den vergangene­n sechs Monaten 144 Euro aus, manche nur wenige Euro, andere bis zu 1000 Euro. Sie kaufen Spiele wie FIFA und Fortnite oder geben ihr Geld für „In-App-Käufe“aus – mit deren Hilfe kann man etwa in das nächste Level aufsteigen. So kommen Gratisspie­le neben der Werbung zu deutlichen Mehreinnah­men. Für Storm eine dramatisch­e Entwicklun­g: „Wenn Computersp­iel zum Glücksspie­l wird, müssen wir handeln.“

Riskantes Verhalten

„15 Prozent der regelmäßig­en Gamer zeigen ein riskantes Spielverha­lten im Sinne einer Gaming-Sucht“, betont Rainer Thomasius vom Deutschen Zentrum für Suchtfrage­n des Kindes und Jugendalte­rs, das die Studie durchgefüh­rt hat. Jeder Zehnte die- ser Risiko-Jugendlich­en fehlte im vergangene­n Monat sogar mehr als eine Woche in der Schule oder Ausbildung. Fast jeder Zweite ist hyperaktiv oder kann sich nicht konzentrie­ren.

Doch wann ist ein Jugendlich­er süchtig? Ein deutliches Symptom für Spielsucht ist es, wenn Jugendlich­e ihre Ausbildung, ihre Hobbys und ihre sozialen Kontakte vernachläs­sigen, erklärt der renommiert­e Psychiater Kurosch Yazdi (siehe Interview unten): „Bei Kindern und Jugendlich­en ist das besonders dramatisch. Sie haben noch keine abgeschlos­sene Ausbildung, sich noch nichts aufgebaut und auch ihre sozialen Kompetenze­n sind noch nicht vollständi­g erworben.“Die Studie zeigte, dass neben anderen Faktoren Geld ein Gradmesser der Spielsucht ist, so Thomasius: „Je stärker die Gamer ein suchtähnli­ches Verhalten beschriebe­n, desto mehr Geld investiert­en sie in Spiele.“

Gruppe statt alleine

Er erklärt die Methoden, die Jugendlich­e hineinkipp­en lassen. Statt auf bauender Levels bieten die Spiele sehr komplexe Welten, die sich ständig verändern – man kommt also nie ans Ziel. Sie gehen rund um die Uhr weiter und oft kann man keine Zwischenst­ände abspeicher­n, der Spieler hat daher das Gefühl, dass er etwas verpasst. Manche Aktivitäte­n können nur zu einer fixen Uhrzeit absolviert werden, etwa das Öffnen einer Überraschu­ng.

Ein wichtiger Faktor beim Suchtverha­lten ist die stärkere Individual­isierung der Spielfigur­en gegenüber früheren Spielen, betont Thomasius: „Das Schwierigk­eitsniveau wird an die Fertigkeit­en der Spieler angepasst. Dem Spieler kann so rückgemeld­et werden, dass er gut ist, er erlebt sich als selbstwirk­sam. Mit sogenannte­n ‚Skins‘ kann ein Spieler seine Figur verbessern; auch ein wichtiger Faktor, dass er sich schwerer vom Spiel entfernt.“

Heutige Online-Spiele entspreche­n auch nicht mehr dem Klischee des Ein- zelkämpfer­s: Die Spieler schließen sich zu Teams oder Clans zusammen und kommunizie­ren über Kopfhörer miteinande­r. Diese Zugehörigk­eit erhöht aber den Druck, gute Leistungen mit der Spielfigur zu erbringen und viel Zeit einzusetze­n.

Ein weiterer Suchtfakto­r und gleichzeit­ig auch ein finanziell­er Aspekt sind die Belohnunge­n für gutes oder langes Spielen. Eine sogenannte „Loot-Box“ist eine Überraschu­ngskiste, die man zufällig gewinnt, mit Spielgeld erwerben oder mit echten Euros kaufen kann. Ein dramatisch­es Lockmittel, so Thomasius: „In Belgien und den Niederland­en sind LootBoxen bereits verboten.“

 ??  ?? An 7 Tagen/Woche An 5 bis 6 Tagen/Woche An 3 bis 4 Tagen/Woche An 1 bis 2 Tagen/Woche Seltener als 1-mal/Woche Gar nicht weil es Spaß bringtweil ich dabei gut abschalten kannweil ich mir einfach die Zeit vertreiben möchte Ich habe Spiele gespielt, um nicht an unangenehm­e Dinge denken zu müssen. 6 4 9 8 14 2021 14 15 19 32 38 75 71 98 Ich habe wegen meines Spielverha­ltens Streit mit anderen gehabt. Für die Anschaffun­g von Computersp­ielen haben die Spieler in den vergangene­n 6 Monaten kein Geld ausgegeben 5492 Euro haben die befragten Jugendlich­en im Schnitt in den vergangene­n 6 Monaten für die Anschaffun­g von Computersp­ielen ausgegeben. Beispiele für Extras: kein Geld ausgegeben 72 Geld ausgegeben 46 Spielgeld, Kostüme, WaffenGeld ausgegeben 2852 Euro haben die befragten Jugendlich­en im Schnitt in den vergangene­n 6 Monaten für die Anschaffun­g von Extras im Spiel ausgegeben. Ich habe schon mal stundenlan­g an nichts anderes denken können, als an den Moment, in dem ich wieder spielen kann. COMPUTERSP­IELEN IN ZAHLEN HÄUFIGKEIT DES SPIELENS AUSGABEN FÜR COMPUTERSP­IELE Burschen Mädchen in Prozent % AUSGABEN FÜR EXTRAS IN COMPUTERSP­IELEN (VERGANGENE 6 MONATE) GRÜNDE FÜR DAS SPIELEN (TOP 3) in Prozent % AUSWIRKUNG­EN DES SPIELENS (TOP 3) 29 14 14 % % %
An 7 Tagen/Woche An 5 bis 6 Tagen/Woche An 3 bis 4 Tagen/Woche An 1 bis 2 Tagen/Woche Seltener als 1-mal/Woche Gar nicht weil es Spaß bringtweil ich dabei gut abschalten kannweil ich mir einfach die Zeit vertreiben möchte Ich habe Spiele gespielt, um nicht an unangenehm­e Dinge denken zu müssen. 6 4 9 8 14 2021 14 15 19 32 38 75 71 98 Ich habe wegen meines Spielverha­ltens Streit mit anderen gehabt. Für die Anschaffun­g von Computersp­ielen haben die Spieler in den vergangene­n 6 Monaten kein Geld ausgegeben 5492 Euro haben die befragten Jugendlich­en im Schnitt in den vergangene­n 6 Monaten für die Anschaffun­g von Computersp­ielen ausgegeben. Beispiele für Extras: kein Geld ausgegeben 72 Geld ausgegeben 46 Spielgeld, Kostüme, WaffenGeld ausgegeben 2852 Euro haben die befragten Jugendlich­en im Schnitt in den vergangene­n 6 Monaten für die Anschaffun­g von Extras im Spiel ausgegeben. Ich habe schon mal stundenlan­g an nichts anderes denken können, als an den Moment, in dem ich wieder spielen kann. COMPUTERSP­IELEN IN ZAHLEN HÄUFIGKEIT DES SPIELENS AUSGABEN FÜR COMPUTERSP­IELE Burschen Mädchen in Prozent % AUSGABEN FÜR EXTRAS IN COMPUTERSP­IELEN (VERGANGENE 6 MONATE) GRÜNDE FÜR DAS SPIELEN (TOP 3) in Prozent % AUSWIRKUNG­EN DES SPIELENS (TOP 3) 29 14 14 % % %

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