Konwitschny: Kämpfer für die Wahrhaftigkeit
Kritik. Othmar Schoecks „Penthesilea“in Linz
Wie oft nehmen wir an menschlichen Tragödien in der Oper teil und wie selten springt der Funke echten Erlebens auf die Zuschauer über. Peter Konwitschny, dem vielfach ausgezeichneten deutschen Regisseur, ist das soeben im Linzer Musiktheater mit einer Koproduktion mit der Oper Bonn wieder einmal virtuos gelungen. Dieser Regisseur schafft es immer wieder, Konventionen zu hinterfragen und über Bord zu werfen und zum eigentlichen, inneren Drama vorzudringen. Für ihn bedeutet Werktreue Aktualitätsund Wahrheitssuche.
Der Operneinakter „Penthesilea“, den der Schweizer Komponist Othmar Schoeck nach Heinrich von Kleists Drama 1927 schuf, beeindruckt mit seiner scharf aufpeitschenden, wuchtigen und in wenigen Passagen auch spätromantischen Klangsprache, die vom prächtig disponierten Brucknerorchester unter der präzisen musikalischen Leitung von Leslie Sugannandarajah überaus intensiv gespielt wurde.
Es ist eine extreme Story von der Königin der Amazonen, die ihren Gegner Achilles – den vokal präsenten Martin Achrainer – trotz dessen Liebe zu ihr in einem Blutrausch abschlachtet. Konwitschny hält nichts von den derzeit in Theater, Film und TV schon fast alltäglichen Blut- und Gewaltorgien. Er zeigt das grausige Finale in einer schlichten, ungemein berührenden und zugleich verstö- renden Szene. Die sowohl gesanglich als auch darstellerisch großartige Dshamilja Kaiser trägt als Penthesilea ihre grausige Tat wie in Trance als Konzertsängerin mit verführerischem Mezzo vor. Das Orchester spielt während des ganzen Geschehens auf der Bühne, davor sind zwei vom Komponisten vorgeschriebene Konzertflügel platziert, die allerdings auch als Dekorationselemente eingesetzt werden.
Beklemmend
Der Chor ist zum Teil im Zuschauerraum verteilt und greift fallweise in das Geschehen ein. Die Tragödie dieser Frau, die sich von der Ideologie der fanatischen Kämpferinnen nicht befreien kann, ist heute beklemmend aktuell. „Verflucht das Herz, das sich nicht zu mäßigen weiß“, ist der Leitspruch der eiskalten, an einen Inquisitor erinnernden Oberpriesterin der Amazonen.
Befehlend
Es könnte auch der Befehl an eine IS-Kämpferin sein, die vergeblich ihren Gefühlen nachgeben will, das aber nicht mehr schafft und rückfällig wird. Die allgemeine Übersättigung und Kälte, die uns heute umgibt, macht es Künstlern nicht gerade leicht, in die Herzen der Menschen vorzudringen. Nur dort lebt die Oper, nur dort verwahrt sie ihre tiefsten Geheimnisse. Ein Regisseur wie Peter Konwitschny kann sie ihnen mitunter entlocken. Diesmal in Linz sogar fulminant.