Superheldin mit Witz
Brie Larson spielt im neuen Blockbuster „Captain Marvel“eine Powerfrau
Schon „Wonder Woman“hat bewiesen, dass eine Superheldin locker einen Blockbuster tragen kann. Auch „Captain Marvel“sollte damit absolut kein Problem haben.
In Disneys 21. Film im Marvel Cinematic Universe (MCU) steht erstmals eine Frau im Mittelpunkt. Die famose Brie Larson ist Carol Danvers alias „Captain Marvel“und steigt, lange vor den Avengers, zu einer der bedeutendsten Superhelden des Universums auf. Wie ihr das gelingt, erzählt das RegieDuo Anna Boden und Ryan Fleck in seinem Prequel kompetent, originell und durchgehend unterhaltsam, zumal es einen Großteil der Handlung in die allseits beliebten 90er-Jahre katapultiert.
Doch düster fängt es an. Auf dem Planeten Hala arbeitet Carol Danvers, genannt Vers, für die Starforce-Einheit der Alien-Rasse Kree. Ihr persönlicher Trainer ist der fesche Jude Law, der nur die „beste Version ihrer selbst“herausholen möchte. Doch bei ihrer Mission gegen die Skrulls – schlitzohrige Verwandlungskünstler – wird Vers von ihrer Truppe getrennt. Sie kann flüchten und landet auf „C-53“– besser bekannt als: Erde.
Ab hier setzt der lustige Teil der Handlung ein: Vers stürzt durch das Dach der (heute längst in Konkurs ge- gangenen) Videotheken-Kette „Blockbuster“und mitten in die 90er-Jahre. Sogleich biegt Samuel L. Jackson als Cop namens Nick Fury um die Ecke. Er trägt weißes Hemd mit schmaler Krawatte und sieht – dank „De-Aging-Technik“– 20 Jahre jünger aus. Ob die „Starforce-Lady“mal bitte ihren Ausweis zeigen kann? Kann sie nicht. Dafür kann sie problemlos von öffentlichen Telefonzellen aus im All anrufen und sich mit den Krees verbinden lassen.
Riot Grrrl
Genussvoll stehen während Vers’ Selbstsuche die Mid-90s auf. Riot Grrrl Punkrock und Nirvana dröhnen auf dem Soundtrack, Menschen tra- gen karierte Hemden und verehren Brad Pitt.
Boden und Fleck bespielen gekonnt die Klaviatur der popkulturellen Referenzsysteme. In altmodischen, spannungsreichen Verfolgungsjagden über Zugdächer und unter Autobahnbrücken beschwören sie Klassiker wie „The French Connection“; der schicke Piloten-Look auf dem Übungsgelände der Airforce, wo Vers nach der Vergangenheit sucht, bedient sich klar der Ikonografie von „Top Gun“.
Doch trotz Retro-Nostalgie und 90er-Verliebtheit forciert „Captain Marvel“seine eigenen Stärken zu zeitgemäßen Effekten. So wirken die Skrulls mit ihrer Fähigkeit, in jede Menschenform zu schlüpfen, wie eine witzige Transgender-Einsatzgruppe: Wenn sie sich am kalifornischen Strand unter die Wellenreiter mischen, verwandeln sie sich in Surfergirls mit tiefen Männerstimmen.
Aber auch in alte Damen in der U-Bahn: Mit scharfem Auge erkennt Vers in einer der grauhaarigen Mitfahrerinnen einen Skrull und schlägt, zum Entsetzen der Beifahrer, der vermeintlich Alten mit der Faust ins Gesicht. Diese verwandelt sich augenblicklich in eine WutOma und liefert der gaffenden Menge eindrucksvolle Schlagkombinationen.
Gekonnt feminisieren Boden und Fleck das Marvel- Universum, nicht nur, indem sie zentrale Figuren weiblich und schwarz sein lassen, sondern auch, indem sie klassische Buddy-Movie-Akzente lässig verschieben. Brie Larson als Captain Marvel ist kombattant, schlagfertig und schnoddrig, aber nie eitel oder unnötig brutal. Selbst Feinde dürfen am Leben bleiben. Action und gefühlvolle Momente wechseln zügig ab, Blitzlichtgewitter zum Spezialeffekt-Finale bleiben kurz und knackig.
„Thank you, Stan“, heißt es zu Beginn von „Captain Marvel“: Auch der verstorbene Marvel-Erfinder Stan Lee wird dank „de-aging“in Zukunft als ewiger Wiedergänger weiter die Popkultur bestimmen.