Mikhail Baryshnikov, Tanz-Legende
Mikhail Baryshnikov. DerAusnahmekünstler gastiert dreiTage lang imWienerMuseumsquartier
Der Ausnahmetänzer im Interview über Russland, Wien und Hillary Clinton. Ab heute gastiert Baryshnikov im Museumsquartier.
Mit „Brodsky/Baryshnikov“gastiertMikhail Baryshnikov ab heute, Freitag, bis inklusive Sonntag im Museumsquartier. Zusammen mit Vaslav Nijinsky, Rudolf Nurejew und Vladimir Vasiliev zählt er zu den größten Tänzern des 20. Jahrhunderts.
Als deren Jüngster ging der 1948 in Riga, im sowjetisch besetzten Lettland, geborene Ausnahmekünstler jedoch andere Wege, indem er sich seit dem Ende seiner Ballettkarriere der Performanceund Schauspielkunst sowie der Fotografie widmet. Dazu leitet er seit 2005 das Baryshnikov Arts Center in New York. Nur zehn Jahre seines Lebens verbrachte er ab 1964 in Leningrad (heute: St. Petersburg). Sein LehrerwarderberühmteAlexander Puschkin, der auchNurejew unterrichtet hatte.
1974 floh Baryshnikov aus künstlerischen Gründen zunächst nach Kanada und ging später in die USA. Er wollte sein Tanzspektrum erweiternundlerntediebedeutendsten Choreografen der Gegenwart wie George Balanchine, Jerome Robbins und Twyla Tharp kennen. Von1974bis1978warerErster Solotänzer des American Ballet Theatre, später dessen künstlerischer Direktor. Von schweren Verletzungen blieb er nicht verschont.
Schon 1971 begann seine Karriere als Filmschauspieler. „Am Wendepunkt“brachte ihm1977eine Oscarund Golden Globe-Nominierung ein. Zu einem weiteren großen Erfolg geriet 1985 „White Nights – Die Nacht der Entscheidung“mit spektakulären Tanzeinlagen gemeinsam mit GregoryHines.
Popularität
Weltweite Popularität erlangte er in der Rolle des russischen Intellektuellen Aleksandr Petrovsky in der letzten Staffel von „Sex and the City“2003/’04. In einer Episode dieser Serie versucht er, mit in englischer Sprache verfassten Gedichten Joseph Brodskys, das Interesse seiner Freundin Carrie Bradshaw für Poesie zu erwecken.
Seit2015tritterindervon Regisseur Alvis Hermanis inszenierten Soloperformance „Brodsky/Baryshnikov“auf. Sie basiert auf in russischer Sprache niedergeschriebenen Gedichten des Nobelpreisträgers Joseph Brodsky (1940 – 1996).
KURIER: Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Auftritte in Wien?
Mikhail Baryshnikov: Ich erinnere mich daran, dass das Publikum immer sehr aufgeschlossen und enthusiastisch war. In der Wiener StaatsoperhabeichBalanchines„ getanzt, zueiner Zeit, in der Balanchine mich sehr inspiriert hat. Ich war auch mit dem American Ballet Theatre da und später mit dem White Oak Dance Pro- ject, und es hat mich sehr bewegt, dass ich so gut aufgenommenworden bin.
1992/’93 wurden Sie als Choreograf in der Staatsoper genannt, für Ihr Solo in Elena Tschernischovas „Don Quixote“.
Wirklich? Das wusste ich nicht! Ichkannmichnichtdaran erinnern, dass sie mich je gefragt hat, aber das passt schon!
Und im Österreichischen Theatermuseum gibt es im Nachlass des Choreografen Marcel Luipart ein auf Umwegen über die DDR zu ihm geschmuggeltes Video. Das zeigt Sie mit Ihrem Lehrer Puschkin beim Studium, auf dem Weg zum „most perfect dancer ever“, wie der renommierte Tanzkritiker Clive Barnes feststellte, als er Sie zum ersten Mal tanzen sah.
Ja, dasistmirbekannt. Ich hatte eine wirklich außergewöhnliche Beziehung zu Alexander Puschkin. Er war eine so ruhige, natürlicheAutorität, verbunden mit einer Menschlichkeit, die uns Studierende faszinierte. Genau so wichtig wie sein Technikunterrichtwar, dass erunsermutigt hat, zu unserer eigenen Persönlichkeit zu stehen. Von ihm habe ich auch gelernt, persönliche Verantwortung zu übernehmen.
Auch in „Brodsky/Baryshnikov“gibt es einen indirekten Bezug zu Wien. Als Joseph Brodsky 1972 gezwungen wurde, sein Heimatland zu verlassen, landete er zunächst in Wien, wo ihn der Dichter W. H. Auden in Empfang nahm. Auden verbrachte die Sommer von 1958 bis zu seinem Tod 1973 in Kirchstetten bei Wien, wo er auch begraben ist. Hat Brodsky je mit Ihnen darüber gesprochen?
Er hat viel darüber erzählt, vorallemüberseineBeziehung zu Auden. Brodsky war bei seiner Ankunft in Wiensehraufgeregt, sehrinspiriert, und Auden, den er sehr verehrte, hat sich sofort umihngekümmert. ÜberAuden hat er dann auch den österreichischen Pianisten Alfred Brendel kennengelernt, mit dem er sich ebenso anfreundete, und den Dichter Steven Spender, der in den 1930er-Jahren in Wien lebte und sich gegen den Faschismus engagiert hatte. Der Spender Trust vergibt heute den Joseph Brodsky/Steven Spender Preis für russischenglischeÜbersetzungen.
Es gibt Parallelen zu Brodsky in Ihrer Biografie. Werden diese in der Performance thematisiert?
Nicht direkt. Das Stück ist nicht autobiografisch. Alvis Hermanis hat die Gedichte ausgewählt und eher als eine metaphysische Zeitreise inszeniert. Aber es gibt diese Parallelen. Zwar bin ich aus freien Stücken aus der Sowjetunion geflohen, er wurde zur Flucht gezwungen. Aber wir sind beide nie mehr zurück gekehrt. Warum kamen Sie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nie nach Russland zurück?
Das ist eine sehr persönliche Frage. Ich wurde im besetzten Lettland geboren, binmit16JahrennachLeningrad gegangen, wo meine Heimatjedochhauptsächlich das Theater war. Ich werde jetzt sehr emotional – ich bin keinUnterstützer dieses Landes. Ichhabemichniealspolitischer Künstler gefühlt, bin auch kein Dissident, aber als Mensch habe ich eine ganz klare Haltung dazu.
Haben Sie 2017 deswegen die lettische Staatsbürgerschaft angenommen?
Dashabeichvorallemaus Verbundenheit mit diesem Land gemacht, meine Mutteristdortbegraben. Ichhabe aber seit 1984 auch die amerikanische Staatsbürgerschaft und fühlemich eigentlich als Amerikaner.
Sie haben im letzten Wahlkampf in den USA Hillary Clinton unterstützt.
Ich kenne die Clintons schonlange, seit seinerAmtszeit als Gouverneur in Little Rock/Arkansas. Damals entstandeinefürmichsehrwichtigeFreundschaft, undsowar es mir ein Anliegen, sie zu unterstützen.