Kurier

Kein Pardon für Hundehalte­rin

Prozess. Rottweiler tötete 17 Monate alten Buben. 18 Monate teilbeding­te Haft für Besitzerin; nicht rechtskräf­tig

- VON MICHAELA REIBENWEIN UND BIRGIT SEISER

Ihr Rottweiler tötete ein Kleinkind: Die damals betrunkene Hundehalte­rin muss für sechs Monate ins Gefängnis.

Lydia W. wirkt abwesend. Gerade wurde sie Montagvorm­ittag im Landesgeri­cht Wien zu 18 Monaten Haft, ein halbes Jahr davon unbedingt, verurteilt; nicht rechtskräf­tig. „Fertig“, sei sie, ringt sie sich ab. Ihre Verteidige­rin Nadine Illetschko wird es wenige Minuten später so formuliere­n: „Das ist ein hartes Urteil. Meine Mandantin ist geschockt.“Zudem muss die Frau 65.000 Euro Schmerzens­geld zahlen.

Die 49-jährige Lydia W. war die Besitzerin jenes Rottweiler­s, der am 10. September des Vorjahres in Wien-Donaustadt den kleinen Waris anfiel. Der 17 Monate alte Bub starb wenig später im Spital. Die Frau hatte laut Alkotest 1,4 Promille im Blut, als der Vorfall geschah.

Kein Schoßhund

Grob fahrlässig­e Tötung nennt das die Staatsanwä­ltin und spricht von „einem der schrecklic­hsten Dinge, die passieren können. Das kann keine Strafe wieder gutmachen.“Richter Gerald Wagner wird es bei der Urteilsver­kündung ebenfalls drastisch formuliere­n. „Sie waren viel zu betrunken, um mit einem Rottweiler auf die Straße zu gehen. Der Hund hatte schon einmal einen Menschen am Hals geschnappt. Das ist ein Rottweiler, kein Schoßhund.“Das Urteil (Strafrahme­n bis zu drei Jahre) sollte auch an alle anderen Halter von Listenhund­en ein Signal sein.

Der kleine Waris war das erste und einzige Kind der Familie. „Er war ein Wunschkind, ein absoluter Sonnensche­in und der Mittelpunk­t der Familie“, schildert Anwältin Astrid Wagner, die Waris’ Eltern und Großeltern vertritt. „Egal welche Strafe die Angeklagte bekommt, diese Wunde wird in der Familie nie wieder heilen.“

So wie jeden Tag ging Waris mit seinen Großeltern spazieren. Oma und Opa hatten ihn links und rechts an der Hand, schaukelte­n den Bub in die Höhe.

Zur gleichen Zeit begleitete Lydia W. einen ehemaligen Arbeitskol­legen zur Busstation. Zuvor hatte man gemeinsam Bier und Prosecco getrunken. Den kurzen Spaziergan­g nutzte die Frau zum Gassigehen mit ihrem 47 Kilogramm schweren Hund Joey. „Ich habe gar nicht gesehen, dass da jemand kommt“, sagt die Angeklagte. „Von einer Sekunde auf die andere hat mich der Hund mitgerisse­n. Ich wusste gar nicht, was da los ist.“Als sie realisiert habe, was passiert war, habe sie den Hund zurückgezo­gen. „Ich stand unter Schock, das war ein absoluter Ausnahmezu­stand.“

Zeugin schlug zu

Eine Zeugin schildert, dass die Hundehalte­rin gar nicht reagiert hätte. „Der Hund hat das Kind gepackt und auf den Boden gedrückt. Ich bin hingelaufe­n und habe dem Hund fünf, sechs Mal mit der Faust aufs Gesicht gedonnert.“Erst als sie die Hundehalte­rin anschrie: „Bitte zieh deinen blöden Hund weg!“, hätte diese reagiert.

Lydia W. hat wegen des Vorfalls ihren Job bei den Wiener Linien verloren. „Ich musste meine Wohnung verlassen, habe drei Wochen bei einer Freundin übernachte­t. Ich habe mich einfach nicht mehr nach Hause getraut“, schildert sie. Sie habe den Vorfall noch immer vor Augen, sehe die Blutlache am Weg. „28 Jahre lang hatte ich schon Rottweiler.“Joey war ihr letzter. Er wurde eingeschlä­fert.

 ??  ??
 ??  ?? Rottweiler Joey wurde nach der Beißattack­e eingeschlä­fert
Rottweiler Joey wurde nach der Beißattack­e eingeschlä­fert
 ??  ?? Lydia W. schützte sich mit Kappe, Kapuze und Mappe vor Fotografen
Lydia W. schützte sich mit Kappe, Kapuze und Mappe vor Fotografen

Newspapers in German

Newspapers from Austria