Kein Pardon für Hundehalterin
Prozess. Rottweiler tötete 17 Monate alten Buben. 18 Monate teilbedingte Haft für Besitzerin; nicht rechtskräftig
Ihr Rottweiler tötete ein Kleinkind: Die damals betrunkene Hundehalterin muss für sechs Monate ins Gefängnis.
Lydia W. wirkt abwesend. Gerade wurde sie Montagvormittag im Landesgericht Wien zu 18 Monaten Haft, ein halbes Jahr davon unbedingt, verurteilt; nicht rechtskräftig. „Fertig“, sei sie, ringt sie sich ab. Ihre Verteidigerin Nadine Illetschko wird es wenige Minuten später so formulieren: „Das ist ein hartes Urteil. Meine Mandantin ist geschockt.“Zudem muss die Frau 65.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.
Die 49-jährige Lydia W. war die Besitzerin jenes Rottweilers, der am 10. September des Vorjahres in Wien-Donaustadt den kleinen Waris anfiel. Der 17 Monate alte Bub starb wenig später im Spital. Die Frau hatte laut Alkotest 1,4 Promille im Blut, als der Vorfall geschah.
Kein Schoßhund
Grob fahrlässige Tötung nennt das die Staatsanwältin und spricht von „einem der schrecklichsten Dinge, die passieren können. Das kann keine Strafe wieder gutmachen.“Richter Gerald Wagner wird es bei der Urteilsverkündung ebenfalls drastisch formulieren. „Sie waren viel zu betrunken, um mit einem Rottweiler auf die Straße zu gehen. Der Hund hatte schon einmal einen Menschen am Hals geschnappt. Das ist ein Rottweiler, kein Schoßhund.“Das Urteil (Strafrahmen bis zu drei Jahre) sollte auch an alle anderen Halter von Listenhunden ein Signal sein.
Der kleine Waris war das erste und einzige Kind der Familie. „Er war ein Wunschkind, ein absoluter Sonnenschein und der Mittelpunkt der Familie“, schildert Anwältin Astrid Wagner, die Waris’ Eltern und Großeltern vertritt. „Egal welche Strafe die Angeklagte bekommt, diese Wunde wird in der Familie nie wieder heilen.“
So wie jeden Tag ging Waris mit seinen Großeltern spazieren. Oma und Opa hatten ihn links und rechts an der Hand, schaukelten den Bub in die Höhe.
Zur gleichen Zeit begleitete Lydia W. einen ehemaligen Arbeitskollegen zur Busstation. Zuvor hatte man gemeinsam Bier und Prosecco getrunken. Den kurzen Spaziergang nutzte die Frau zum Gassigehen mit ihrem 47 Kilogramm schweren Hund Joey. „Ich habe gar nicht gesehen, dass da jemand kommt“, sagt die Angeklagte. „Von einer Sekunde auf die andere hat mich der Hund mitgerissen. Ich wusste gar nicht, was da los ist.“Als sie realisiert habe, was passiert war, habe sie den Hund zurückgezogen. „Ich stand unter Schock, das war ein absoluter Ausnahmezustand.“
Zeugin schlug zu
Eine Zeugin schildert, dass die Hundehalterin gar nicht reagiert hätte. „Der Hund hat das Kind gepackt und auf den Boden gedrückt. Ich bin hingelaufen und habe dem Hund fünf, sechs Mal mit der Faust aufs Gesicht gedonnert.“Erst als sie die Hundehalterin anschrie: „Bitte zieh deinen blöden Hund weg!“, hätte diese reagiert.
Lydia W. hat wegen des Vorfalls ihren Job bei den Wiener Linien verloren. „Ich musste meine Wohnung verlassen, habe drei Wochen bei einer Freundin übernachtet. Ich habe mich einfach nicht mehr nach Hause getraut“, schildert sie. Sie habe den Vorfall noch immer vor Augen, sehe die Blutlache am Weg. „28 Jahre lang hatte ich schon Rottweiler.“Joey war ihr letzter. Er wurde eingeschläfert.