Kurier

Pflegende Angehörige anstellen: Doskozils Plan stößt auf Skepsis

Pflegedeba­tte. Mehr Staat, weniger privat, lautet nun das Motto im Burgenland. Ein streitbare­r Plan.

- VON CHRISTIAN BÖHMER UND THOMAS OROVITS

Der Staat müsse „stark positionie­rt“werden – und zwar gegen einen „ausgeprägt­en Liberalism­us“. Als Hans Peter Doskozil vor gut einem Monat zum burgenländ­ischen Landeshaup­tmann gewählt wurde, redete er einem starken Staat das Wort.

Am Montag hat der pannonisch­e Grande erläutert, was dieses Credo für den Pflegebere­ich bedeutet. „Die Auf baugenerat­ion hat sich verdient, dass dieses elementare Bedürfnis in würdiger Form gestillt wird“, so Doskozil mit hörbarem Pathos. Und weiter: Pflegeheim­e sollen im Burgenland künftig nur noch gemeinnütz­ig betrieben werden. Nicht sofort zwar, aber nach einer Frist von vier Jahren – dann müssten sich die Heimbetrei­ber entscheide­n.

Die Gemeinnütz­igkeit der Pflege ist nur einer von 21 Punkten seines Pflegeplan­s bis 2030. Ein weiterer Punkt betrifft die soziale Absicherun­g von pflegenden Angehörige­n: Sie sollen im Burgenland künftig die Möglichkei­t erhalten, bei einer Tochter der landeseige­nen Krankenans­taltengese­llschaft angestellt zu werden und bis zu 1700 Euro netto zu verdienen. Das Modell ist für Pflegebedü­rftige der Stufen 3 bis 5 gedacht, Verwandte und Angehörige bis zum zweiten Grad (Cousin/Cousine) können die Pflege übernehmen und sollen dafür eine Heimhelfer­ausbildung bekommen.

Galgenfris­t

Der burgenländ­ische Regierungs­chef hat das Modell bereits durchrechn­en lassen: Bei 500 bis 600 Interessen­ten wären Kosten von 12 bis 13 Millionen Euro fällig; mit den Gemeinden müsse man noch über Details der Kostenteil­ung sprechen.

Was die 24-Stunden-Pflege angeht, bekommen die mehr als 40 privaten Agenturen, die im Burgenland Personenbe­treuer aus Rumänien, Bulgarien, der Slowakei, Ungarn oder Kroatien vermitteln, noch eine „Galgenfris­t“. Doskozil: Da müsse man „sehr sensibel vorgehen“. Auf lange Sicht soll aber auch diese Vermittlun­gstätigkei­t unter Kontrolle des Landes gestellt werden. Der Zeitplan ist ambitionie­rt: Das neue Pflegemode­ll im Burgenland soll schon am 1. Oktober starten.

Der Koalitions­partner FPÖ ist „zufrieden“, man findet Teile des blauen Modells

Christophe­r Drexler

steirische­r ÖVP-Landesrat der „Pflegegeno­ssenschaft“wieder.

Schlechtes Timing

Lokale Experten äußerten freilich schon am selben Tag Bedenken. „Ich bin gegen die Verstaatli­chung der Pflege. Das wäre eine Schubumkeh­r des geltenden Systems“, sagt Oswald Klikovits, Obmann des Hilfswerks, zum KURIER.

Und nicht nur er. Denn auch jenseits der Landesgren­ze ist die Skepsis groß – aus vielerlei Gründen.

Da ist zunächst das Timing: Wie berichtet, ist die Bundesregi­erung gerade dabei, einen „Masterplan Pflege“zu erstellen. Dass das Burgenland nun nicht nur öffentlich Vorschläge präsentier­t, sondern diese in wenigen Monaten auch umsetzen will, irritiert im Sozialmini­sterium und manchen Ländern.

„Für Vorschläge, wie man pflegende Angehörige bestmöglic­h unterstütz­en kann, bin ich immer offen, und wir versuchen in der Steiermark einiges auf den Weg zu bringen. Eine öffentlich­e Anstel- lung kommt mir allerdings wie eine Verstaatli­chung der Familie und des Privaten vor“, sagt der steirische Pflege-Landesrat Christophe­r Drexler zum KURIER. Ähnlich sieht es seine Amtskolleg­in in Niederöste­rreich, Christiane Teschl-Hofmeister: Im Sinne des großen Pflegerefo­rmpaket auf Bundeseben­e und einer österreich­weiten Harmonisie­rung sei es „nicht hilfreich, mit Einzelvors­chlägen vorzupresc­hen“.

Und selbst Caritas-Chef Michael Landau äußert gegenüber dem KURIER sanfte Skepsis: „Der burgenländ­ische Vorstoß ist ein interessan­ter Denkanstoß, aber viele Pflegende sind selbst ältere Menschen – für sie ist die Frage der Anstellung nicht zentral.“

Viel wichtiger sei, dass die Leistungen möglichst bald in ganz Österreich in vergleichb­arer Qualität verfügbar seien. „Und auf keinen Fall darf es dazu kommen, dass im Gegenzug für eine Anstellung von Angehörige­n bei Heimhilfe oder Krankenpfl­ege Leistungen zurückgefa­hren werden.“

„Eine öffentlich­e Anstellung für Pflege kommt mir wie eine Verstaatli­chung der Familie vor.“

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Doskozil: Nur wer gemeinnütz­ig agiert, soll ein Pflegeheim betreiben dürfen, sagt der Landeschef

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