Raketen kommen für Netanjahu ungelegen
Wahlkampf. Angriff aus Gazastreifen auf Tel Aviv rüttelt an Sicherheitskompetenz des Premiers
Der Alarm kam für Familie Wolf am frühen Montagmorgen zu spät. Die Rakete aus dem Gazastreifen schlug voll in ihr Haus in Mischmeret ein. Nicht in Sichtweite zum Gazastreifen, wo Angriffe der militanten Hamas-Islamisten zum Alltag gehören. Die Wolfs wohnen 80 Kilometer weiter nördlich, nahe Tel Aviv. Hier schlugen bisher keine Hamas-Raketen ein.
Die Eltern flüchteten mit drei Kleinkindern und Splitterwunden in den Schutzraum. Die Großmutter erlitt schwere Verletzungen. Die Familie liegt im Hospital.
Sicherheitsexperten warnten seit Monaten: Die Gewalt aus Gaza wird sich durch den Wahlkampf in Israel anheizen. Premier Benjamin Netanjahu: „Wir schlagen mit voller Wucht zurück.“Bereits am Abend flogen Raketen auf Gaza-Ziele.
Ein Hamas-Sprecher verkündete am Montag dann eine Waffenruhe. Ägypten habe vermittelt, hieß es. Von israelischer Seite wurde das aber nicht bestätigt.
Aus dem Kreislauf mit Angriffen und Gegenangriffen wird ein Ausscheren immer schwerer. Es gibt kein militärisches Ziel in Gaza, das nicht schon mehrfach von Israels Bomben zertrümmert worden wäre. Kommen die Gegenschläge, sind die Hamas-Einrichtungen schon längst von allen Kämpfern geräumt. Hinzu kommt eine neue Taktik: Niemand von den Untergrund-Zellen im Gazastreifen übernimmt die Verantwortung nach schweren Angriffen, die Hamas bestreitet die Tat. Was Gegenschläge Israels nicht verhindert, aber die Zielsuche erschwert.
Israel bliebe noch das Mittel gezielter Anschläge gegen Hamas-Führer. Dieses oft probierte Mittel blieb jedoch stets ohne spürbare Wirkung.
Also ein Sieg der Hamas? Wohl kaum. Die zum politischen Kompromiss unfähigen Islamisten geraten immer mehr unter Druck. Das wirtschaftliche Elend im Gazastreifen wächst. In den letzten Wochen kam es zu Straßenprotesten gegen die Hamas. Dabei war Israel bereit, Geld in Gazas Wirtschaft fließen zu lassen. Gegen den Widerstand der palästinensischen Autonomie-Regierung (PA) unter Präsident Mahmud Abbas. Die liefert sich mit Hamas einen unerbittlichen Machtkampf.
Geld floss doch noch mithilfe ägyptischer Unterhändler und Banken in Katar. Die im Gegenzug erwartete Waffenruhe kann die Hamas nicht einhalten. Ohne Raketen gegen Israel verliert sie im Machtkampf mit der PA. Ein Teufelskreis: Mit Raketen kein Geld. Ohne Raketen bedeutungslos.
Als die Rakete mitten in Israel einschlug, befand sich
Netanjahu in Washington. Die Reise sollte der Höhepunkt seines Wahlkampfs werden: nicht der Korruptionsverdächtige, sondern der Staatsmann auf dem roten Teppich. Als unverhohlene Wahlkampfhilfe hatte USPräsident Trump sogar die Anerkennung der von Israel annektierten Golan-Höhen angekündigt und gestern vollzogen. Es sollte die Wende im Wahlkampf werden und Netanjahus Likud-Partei gegen den Herausforderer Benny Gantz wieder in Führung bringen. Stattdessen kommt von rechts und links jetzt die Frage, warum Netanjahu in Gaza bisher erfolglos blieb.