May gescheitert – Parlament sucht nach Brexit-Mehrheit
Großbritannien. Turbulente Nacht in Großbritannien. Das Parlament hat Theresa May in der Brexit-Frage quasi entmachtet. Nun versuchen die Abgeordneten im Alleingang eine Mehrheit zu finden.
„Die Zeit ist um, Theresa!“Es ist die britische Boulevard-Zeitung The Sun, die zu Beginn der Brexit-Schicksalswoche das endgültige Aus für Regierungschefin Theresa May einläutet. Laut einem Bericht des Senders ITV spielte sie einen ihrer letzten Trümpfe aus: Sollten die Gegner ihres EU-Austrittsabkommens mit Brüssel doch zustimmen, würde sie zurücktreten. Angeblich konnte sie mit diesem „Opfer“eine kabinettsinterne Revolte abwenden.
Montagabend im Parlament klang die 62-Jährige wieder kämpferisch: „Ich habe immer deutlich gemacht, dass es eine Aufgabe gibt, die erledigt werden muss, und ich werde weiter diese Tätigkeit ausüben.“Davor hatte sie aber noch erklärt, dass sie mangels einer Mehrheit keine weitere Abstimmung über den EU-Austrittsvertrag zulassen werde.
Insgesamt eine Fehleinschätzung Mays. In einer turbulenten Sitzung beschloss das britische Parlament gegen den Willen der Regierung über Alternativen zum BrexitAbkommen abzustimmen. Als Optionen werden unter anderem eine engere Anbindung an die EU oder auch ein zweites Referendum gehandelt. Aber auch eine direkte Abkehr vom Brexit durch Zurückziehen der Austrittserklärung ist im Gespräch.
Nichts ist fix
Sollten die Abgeordneten tatsächlich für eine Variante eine Mehrheit finden, muss die Sache trotzdem nicht diese Woche entschieden sein. Denn die Regierung sei nicht gebunden, sollten sich die Abgeordneten auf eine Alternative zum Brexit-Abkommen festlegen, stellte May klar. Die automatische Folge einer Ablehnung ihres Deals sei immer noch ein Austritt ohne Abkommen.
Zugleich beschwichtigte sie aber: „Ein No Deal wird nicht passieren, solange das Unterhaus dem nicht zustimmt.“
Schwer angeschlagen
May selbst ist damit schwer angezählt. Am Abend sprangen ihr drei Staatssekretäre ab. Damit wird die Variante, sie werde zurücktreten, wenn das Parlament ihrem BrexitVertrag zustimmt, unwahrscheinlicher. Aber wie lange die Premierministerin noch weitermachen kann, ist jetzt die große Frage.
Ein „Hard Brexit“, also ein chaotisches Ausscheiden, steht angesichts der turbulenten Ereignisse auch nach wie vor im Raum. Die EU-Kommission hat jetzt für diesen Fall eine kostenlose Hotline für alle Bürger eingerichtet (Tel: 0080067891011). Zudem gibt es Info-Material etwa zu Fragen der Krankenversicherungskarte oder Kosten für die Handynutzung.
Ruf nach Exit vom Brexit
Im Vereinigten Königreich gibt es eine Mehrheit für einen Exit vom Brexit. Die Bevölkerung gab amWochenende ein starkes Lebenszeichen von sich. In London demonstrierten eine Million Menschen für einen Verbleib in der EU. „Frau Premierminister, Sie haben die Kontrolle über diesen Prozess verloren“, sagte der VizeChef der oppositionellen Labour-Partei, Tom Watson, „Sie stürzen das Land ins Chaos. Lassen Sie das Volk die Kontrolle übernehmen“, richtete er einen Appell an May, ein zweites Referendum abzuhalten.