Start für eine Neuordnung
Wird die Urheberrechtsform heute im EU-Parlament beschlossen, beginnt ein langer Prozess – mit völlig offenem Ausgang.
Die Befürworter der Reform dürfen sich freuen: Ihnen würde mit der Regelung, die EU-weit in nationales Recht gegossen werden muss, ein Instrument in die Hand gegeben werden, große Plattformen an die Kandare zu nehmen. Und Medien könnten Lizenzen für ihre Inhalte ausverhandeln – und ihren Anteil an den Werbeeinnahmen einfordern.
YouTube, Facebook und Co wären gezwungen, mit Künstler- und Medienvertretungen Lizenzvereinbarungen zu treffen und diese so an ihren Einnahmen teilhaben zu lassen. Weiters müssten sie verhindern, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte wiederholt hochgeladen werden. Genau hier knüpfen die Gegner ihre größte Kritik an: Dies soll, so heißt es, nur über technologische Maßnahmen, sprich: Filter, möglich sein. Diese würden gleich beim Hochladen überprüfen, ob jemand Rechtsanspruch auf diesen Inhalt erhebt – und in diesem Fall ein Hochladen verhindern. Die Gegner fürchten hier Zensur.
Wie diese Prüfung erfolgen soll, soll jedoch erst in Gesprächen zwischen Kommission, Plattformen und Rechteinhabern geklärt werden. Ziel ist es, einen „best effort“, also eine bestmögliche Anstrengung zu unternehmen, dass kein geschütztes Material abruf bar ist. Dieser Effort soll aber rechtlich erlaubte Nutzungen – Parodie, Satire etc. – nicht beeinträchtigen.
Reformprobleme
Auch in diesem Prozess werden die Plattformen ihre monopolartige Finanzmacht ausspielen – und wohl mit einer Einstellung ihrer Dienste drohen, wie dies etwa schon in Spanien durchgezo- gen wurde. Dies ist wegen der Größe des EU-Marktes aber unwahrscheinlicher. Wahrscheinlicher ist, dass der Spielraum der Reform bis zum Anschlag ausgenützt wird – und die Plattformen sich großflächig Gratis- und Pauschallizenzen ausstellen lassen. Dann wäre die Reform zwar beschlossen, aber ad absurdum geführt.
Oder die Reform wird streng ausgelegt, Inhalte würden geschützt und Lizenzen erworben werden. Dann würde erwartungsgemäß ein Anlass – eine Fehlfilterung rechtmäßiger Inhalte etwa – gefunden werden, um die Regelung höchstgerichtlich überprüfen zu lassen.
Teillösungen
Wird die Reform heute zum Teil beschlossen – etwa ohne die umstrittensten Artikel –, dann müsste sie als Ganzes neu bewertet werden – auf die Umsetzbarkeit hin und auf den Nutzen.