Einzementierte Machtverhältnisse
Wird die Urheberrechtsreform heute im EU-Parlament zur Gänze abgelehnt, dann ist sie auf lange Sicht gestorben. Denn nach der EU-Wahl müsste der Prozess – der Jahre dauert – wieder von neuem beginnen.
Was dann passiert? Vorerst einmal: Nichts.
Die bestehenden Regelungen bleiben aufrecht. Die Gegner der Reform dürfen sich freuen: Es können weiter Kulturprodukte wie Musik und Filme auf YouTube oder Facebook hochgeladen werden, ohne dass die jeweilige Plattform dafür geradestehen muss. Es fließen weitere Milliardeneinnahmen unversteuert an die Plattformen.
Und Google kann weiterhin Traffic an die Medienplattformen weiterreichen – den allergrößten Teil des Online-Werbemarktes aber einstreifen und die Medien dadurch am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Das Resultat bisher ist ein Blut- bad im Journalismus. Im monopolhaft kontrollierten Online-Werbemarkt lässt sich für die Medien weiterhin kein nachhaltiges Geschäftsmodell ausformulieren. Wenn diese weitere Spar- und Abbaumaßnahmen treffen müssen, freuen sich insbesondere die Mächtigen. Und die großen Plattformen: Sie wären in ihrem Geldsturm („money grab“) auf die europäischen Urheber bestätigt.
Die Reformer
Ein Scheitern der Reform ist nicht zuletzt auch den Reformern anzulasten. Axel Voss (EVP), der die Reform federführend ausformulierte, hat es den Gegnern leicht gemacht: Er hat offen signalisiert, von der Materie selbst kaum Ahnung zu haben. Zuletzt verfing man sich noch dazu in einer sinnlosen Debatte über angeblich bezahlte Demonstranten gegen die Reform. Das Scheitern der Reform ist aber auch einer Gegnerschaft anzulasten, die die technologische Unsicherheit der Parlamentarier instrumentalisierte, mithilfe der Plattformen Schreckensszenarien auf baute und jede „Einmischung“des Gesetzgebers ins Internet ablehnt. Und, wie in Brüssel immer, auch brutaler Lobbyarbeit.
Teillösungen
Sollte das Parlament die Reform heute zum Teil ablehnen (etwa den Artikel, der die „Upload-Filter“nahelegt), müssten die EU-Staaten dem neuen Text anschließend wieder zustimmen. Andernfalls müssten Parlament und EU-Staaten erneut verhandeln. Die Reform wäre auf die lange Bank geschoben. Dennoch könnte sich in absehbarer Zeit in der EU Entscheidendes ändern: Ein erwarteter Entscheid des Europäischen Gerichtshofs könnte Plattformen wie YouTube für die hochgeladenen Inhalte haftbar machen.