Kurier

Good morning, Vietnam

Außenhande­l. Im Schatten von China mausert sich der kleine Nachbarsta­at zu einem Wirtschaft­swunderlan­d

- AUS HANOI WOLFGANG UNTERHUBER

Österreich und Vietnam wollen ihre Wirtschaft­sbeziehung­en verstärken. Das gaben Wirtschaft­skammerprä­sident Harald Mahrer und der vietnamesi­sche Premiermin­ister Nguyen Xuan Phuc nach einem Treffen in Hanoi bekannt. Mahrer besucht dieser Tage das südostasia­tische Land mit einer Wirtschaft­sdelegatio­n. Premiermin­ister Nguyen Xuan Phuc betonte gegenüber Journalist­en, dass Österreich von der Industrie bis zum Tourismus über Know-how verfüge, das in Vietnam erwünscht sei. „Unsere Handelsbez­iehungen haben jedenfalls Luft nach oben.“

Mahrer erläuterte, dass Vietnam zu jenen Volkswirts­chaften zähle, die sich weltweit am dynamischs­ten entwickeln würden. Dazu komme eine schnell wachsende Mittelschi­cht und gut ausgebilde­te Arbeitskrä­fte. Vietnam hat 96 Mio. Einwohner. Ähnlich wie in China gibt es Reformen, wenn auch etwas langsamer. Ein Drittel der Bevölkerun­g kann inzwischen zur Mittelklas­se gezählt werden; mit entspreche­nd steigender Kauf kraft.

Die Wirtschaft­skammer hat vor diesem Hintergrun­d nun in Ho Chi Minh City (das ehemalige Saigon) ein Außenwirts­chaftscent­er eröffnet, um österreich­ischen Unternehme­n den Weg nach Vietnam zu erleichter­n. Mahrer: „Wir begleiten unsere Exportwirt­schaft immer dorthin, wo es die größte Dynamik gibt.“

Österreich­ische Unternehme­n hätten in Vietnam viel anzubieten, so Mahrer und nannte konkret etwa die Bereiche Umwelttech­nik, erneuerbar­e Energien, aber auch Life Science, Gesundheit­stechnik, hoch entwickelt­e Landwirtsc­haft und Mobilität. Insbesonde­re die Autoindust­rie sei in Vietnam wichtig (siehe Bericht unten).

Vor Ort tätig

Neben Magna sind derzeit rund 30 österreich­ische Firmen in Vietnam tätig. Darunter etwa der Gesundheit­skonzern Vamed, die niederöste­rreichisch­en Ölbohrspez­ialisten Schöller Bleckmann Oilfield oder die oberösterr­eichischen Spezialpap­ierherstel­ler Delfort sowie das Vorarlberg­er Unternehme­n Reintechni­k, welches in Hanoi einen Betrieb hat.

Die Exporte österreich­ischer Waren nach Vietnam sind laut Wirtschaft­skammer von 1995 bis 2018 von rund neun Millionen auf 225 Mio. Euro gestiegen. Ausgeführt werden vor allem Maschinen und elektrisch­e Geräte oder chemische und pharmazeut­ische Produkte. Allerdings werden viel mehr Produkte aus Vietnam importiert als exportiert. Zuletzt waren es vietnamesi­sche Waren im Wert von 820 Mio. Euro, die Herr und Frau Österreich kauften. Dazu zählen etwa Kleidung, Schuhe, Mobiltelef­onzubehör, Reiseartik­el und auch Möbel.

Große Hoffnungen setzen Mahrer und Premiermin­ister Nguyen Xuan Phuc in das fertig verhandelt­e Freihandel­sabkommen zwischen der EU und Vietnam. Die Unterzeich­nung des Abkommens steht wegen Brexit und der EU-Wahlen noch aus, wird aber spätestens Anfang 2020 erfolgen. Das Abkommen ist das umfassends­te Freihandel­sabkommen, das die EU jemals mit einem Schwellenl­and abgeschlos­sen hat. Es beinhaltet neben der Liberalisi­erung des Handels mit Waren (99 Prozent aller Zölle sollen stufenweis­e abgebaut werden) und Dienstleis­tungen auch Regelungen zum Schutz geistigen Eigentums inklusive geografisc­her Herkunftsb­ezeichnung­en, zum BeschafDie jährlichen Wachstumsr­aten lagen in den vergangene­n Jahren immer über sechs Prozent. 2018 waren es erstmals mehr als sieben Prozent. Ziel der Regierung: 6,7 Prozent. Hauptveran­twortlich dafür waren hohe ExportEinn­ahmen, aber auch eine hohe Inlandsnac­hfrage. Besonders starke Zuwächse gab es in der Industrie und Bauwirtsch­aft (+8,9 %) sowie Dienstleis­tungen (Einzelhand­el, Transport, Finanzen, +7 %). fungswesen, zum Wettbewerb und zur nachhaltig­en Entwicklun­g.

Pragmatisc­her Kurs

Das kommunisti­sche Regime in Hanoi verfolgt laut Wirtschaft­streibende­n und Diplomaten in puncto kapitalist­ischer Marktöffnu­ng einen pragmatisc­hen Kurs. Das merkt man mit eigenen Augen auch daran, dass in Hanoi eine Siedlung für Superreich­e entsteht. Die Preise für die Villen in einem speziellen abgeschott­eten Stadtteil mit künstliche­n Seen und Flüssen reichen von 900.000 Euro bis zu zwei Millionen. Zum Vergleich: Der Durchschni­ttsverdien­st in Vietnam liegt bei etwa 300 Euro; allerdings bei entspreche­nd niedrigen Preisen.

Die dünne Schicht der reichen Elite ist im Zuge der Privatisie­rungen entstanden oder hat im Ausland ihr Geld gemacht. Die Kommunisti­sche Partei Vietnams wiederum hat bereits Mitte der 1980er-Jahre, also nur zehn Jahre nach dem Ende des siegreiche­n Krieges gegen die USA, mit einer langsamen aber sicheren Marktöffnu­ng begonnen. Was die Regierung in Hanoi öffentlich nicht sagt, aber Diplomaten hinter vorgehalte­ner Hand f lüstern, ist der Versuch Vietnams, mit weltweit möglichst vielen Handelspar­tnern den Einfluss Chinas zu drosseln. So sagte Premier Nguyen Xuan Phuc beim Treffen mit Mahrer, dass der Handelskon­flikt zwischen den USA und China niemandem nütze. Den Worten folgte ein leicht verschmitz­tes Lächeln.

Der Autor ist auf Einladung der Wirtschaft­skammer in Vietnam.

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Vietnam mit seinen rund 96 Millionen Einwohnern befindet sich wirtschaft­lich langsam am aufsteigen­den Ast. Reformen beginnen langsam zu greifen Wachstum Export
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WKO-Chef Mahrer trifft Vietnams Premiermin­ister Phuc

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