Kurier

Showdown aus taktischen Gründen

Unnötig viel verbrannte Erde: Der Regierungs­sturz macht eine Koalitions­bildung im Herbst schwer.

- MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Übergroßes Machtstreb­en – das war am Montag im Nationalra­t der Hauptvorwu­rf von Rot, Blau und der Liste Jetzt an den Kanzler. Aber als Rechtferti­gung, um ein ganzes Kabinett zu Fall und, noch heftiger, in die internatio­nalen Schlagzeil­en zu bringen, ist das einfach zu dünn. Noch dazu gegen den Willen des Bundespräs­identen. Schließlic­h haben sich die aktuellen (und schon gar nicht die erst ein paar Tage im Amt befindlich­en) Mitglieder dieser Regierung nichts zuschulden kommen lassen. Antipathie und Zorn, selbst wenn er berechtigt ist, sollten keine politische­n Leitmotive sein. Es wird schwierig für die Abwählende­n, dafür Verständni­s in der Bevölkerun­g zu bekommen. Noch dazu, wo alle drei Aufständis­chen im Gegensatz zur ÖVP gerade eine Wahlnieder­lage erlitten haben: Eine Koalition der Verlierer wählt den Sieger ab.

Wie kann auf so viel verbrannte­r Erde im Herbst ein neues Regierungs­haus gebaut werden? Nach der Wahl wieder an die alte Große Koalition anzuschlie­ßen, wirkt fast unmöglich. Die Abneigung zwischen SPÖ und ÖVP ist für alle spürbar. Selbst beim früher immer verbindend­en Element, den Sozialpart­nern, scheint der Faden gerissen zu sein. Aber eine Regierung mit den Blauen dürften weder Rot noch Türkis wagen. Dass der designiert­e FP-Chef Norbert Hofer am Montag betonte, nun um eine „stabile Regierung“bemüht zu sein, könnte man Chuzpe nennen. So steil dürfte die Vergessens­kurve der Wähler dann auch wieder nicht sein, dass man schon verdrängt hat, wer der wahre Auslöser für das jetzige Schlamasse­l ist.

Neos und Grüne könnten künftig mitregiere­n

Kann Kurz den Erfolg der EU-Wahl wiederhole­n (aber der September ist noch weit weg), wird er wohl versuchen, eine andere, aber ebenfalls ungewöhnli­che Koalition zu schmieden: Türkis-Pink-Grün. NeosChefin Meinl-Reisinger hat ja klug die Nische der verantwort­ungsvollen Opposition­spolitiker­in genutzt. Aber rein rechnerisc­h wird es am Ende wahrschein­lich weder mit Schwarz noch mit Rot für eine Koalition reichen. Die Grünen wiederum, derzeit gar nicht im Parlament, sind im Gegensatz zu ihren deutschen Parteikoll­egen noch lange nicht in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen – auch wenn Werner Kogler ein guter Wahlkämpfe­r mit Witz und Biss war. Das wird also schwer.

Für den egomanisch­en Selbstdars­teller Peter Pilz, der einst bei den Grünen über Leichen ging, ist das wohl die Abschiedsv­orstellung. Im Parlament stellte er wenig überrasche­nd auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner rhetorisch in den Schatten. Diese steht nach einem desaströse­n ORF-Auftritt Sonntagabe­nd selbst innerparte­ilich schwer unter Druck.

Ein neuer Expertenbu­ndeskanzle­r muss nun Form wahren und Wellen glätten. Schlecht, dass unsere Wahlordnun­g so lange Fristen und bürokratis­che Auflagen vorschreib­t. Dieses „Interregnu­m“sollte nämlich nicht zu lange dauern.

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