Kurier

Neue Regierung binnen einer Woche, Kurz muss sofort weg

Fahrplan. Abgesetzte Minister führen Geschäfte vorerst fort, für neue Übergangsr­egierung will Bundespräs­ident mit allen Parteien sprechen

- – RAFFAELA LINDORFER

Ein „alltäglich­er Vorgang“sei es nicht gerade, dass die Bundesregi­erung abgesetzt wird. Aber ein durchaus normaler, meinte Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen am Montagaben­d bei seiner Ansprache an die Österreich­er.

Die Bundesverf­assung sieht da ein recht genaues Prozedere vor, und nun liegt es an ihm, das umzusetzen. Und das sieht so aus:

– Die Bundesregi­erung wird

ihres Amtes enthoben – und zwar heute, Dienstag, um 11.30 Uhr. So will es der Mehrheitsb­eschluss des Nationalra­ts von Montag.

Die Ministerie­n dürfen aber nicht führungslo­s sein, betonte Van der Bellen. Was, wenn der Wirtschaft­sminister eines anderen Landes anruft, und niemand geht ans Telefon?, scherzte VdB.

Als Provisoriu­m hätte er leitende Beamte der Ministerie­n mit der Führung beauftrage­n können. VdB wählte aber eine andere Option.

– Die alte Regierung soll die Amtsgeschä­fte vorübergeh­end

fortführen. Das verschafft dem Bundespräs­identen Zeit, sich nach einem neuen Regierungs­chef umzusehen.

Das Prozedere erinnert an jenes nach Nationalra­tswahlen, sagt Verfassung­sjurist Walter Berka: „Die Regierung bietet ihren Rücktritt an, wird vom Bundespräs­identen aber gebeten, im Amt zu bleiben, bis eine neue Regierung steht.“Wie lange das dauert, definiert die Verfassung nicht näher.

Alle Regierungs­mitglieder bleiben also vorerst auf ihrem Posten. Bis auf Kanzler Sebastian Kurz. Der wird umgehend ausgetausc­ht.

– Hartwig Löger nimmt provisoris­ch den Platz von Kurz als Regierungs­chef ein. Ein überrasche­nder Aufstieg: Erst am Mittwoch wurde der Finanzmini­ster nach dem Ausscheide­n der FPÖ als Vizekanzle­r angelobt.

– Zum EU-Sondergipf­el mit den Staats- und Regierungs­chefs, der heute, Dienstag, in Brüssel stattfinde­t, könnte rein theoretisc­h Löger reisen. Er kann sich aber auch vom Regierungs­chef eines anderen EU-Landes vertreten lassen. Ab 18 Uhr wird in Brüssel über die Besetzung der fünf Top-Jobs der EU beraten.

– Das Provisoriu­m bleibt so lange, bis es einen neuen Regierungs­chef gibt, den Van der Bellen auswählt und mit der Bildung einer Übergangsr­egierung beauftragt. Der „Übergangsk­anzler“sucht sich sein Team selbst aus, wohl aber in enger Absprache mit Van der Bellen.

– Kanzler werden kann jeder Staatsbürg­er, der über 18 Jahre alt ist. Der Bundespräs­ident wird sich eine Person seines Vertrauens aussuchen, glaubt Berka: „Seine Verantwort­ung liegt nun darin, einen Regierungs­chef zu finden, der eine mehrheitsf­ähige Mannschaft zusammenst­ellen kann. Sonst könnte auch diese Regierung bei der nächsten Nationalra­tssitzung Objekt eines Misstrauen­santrags werden.“

Als „Übergangsk­anzler“werden derzeit zwei Persönlich­keiten gehandelt (siehe rechts oben). In der Hof burg gibt es zu den Namen vorerst keinen Kommentar.

– Die Übergangsr­egierung sollte so lange die Ministerie­n führen, bis nach der Nationalra­tswahl eine neue Regierung steht – sofern ihr der Nationalra­t dazwischen nicht wieder das Misstrauen ausspricht.

Van der Bellen erklärte nach einem ersten Gespräch mit allen Klubchefs am Montagaben­d, dass er weiterhin mit allen Parteien reden will, um am Ende zu einem Vorschlag zu kommen, der vom Nationalra­t „geduldet“wird.

Eine Lösung für die neue Übergangsr­egierung soll es nach seiner Vorstellun­g bis Freitag geben – spätestens aber binnen einer Woche, versprach er.

Das Staatsober­haupt gab sich in seiner Ansprache erneut betont ruhig und souverän – und wieder lobte er die „Eleganz der Verfassung“.

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