Katerstimmung in der Koalition
Am Tag nach der Niederlage suchen Union und SPD nach den Ursachen
Warten im Willy-BrandtHaus. Zwei Mal wurde die Pressekonferenz mit SPDChefin Andrea Nahles an diesem Montag verschoben. Am Ende vorerst auch ihr Rückzug als Parteivorsitzende.
Die Sozialdemokraten mussten bei der Europawahl eine schwere Niederlage einstecken, verloren zwölf Prozent zu 2014. Auch CDU/CSU büßten mehr als sieben Prozentpunkte ein. Wäre es eine Bundestagswahl, hätte das Bündnis der Großen Koalition keine Mehrheit mehr.
Dementsprechend getrübt war die Stimmung in den Parteizentralen. Dort versuchte man die ersten Schlüsse aus dem Ergebnis zu ziehen. Einig sind sich SPD und CDU über Versäumnisse beim Thema Klimaschutz. Die Christdemokraten konnten in der Debatte nicht aus der Offensivposition argumentieren, erklärte Annegret Kramp-Karrenbauer, die auch persönliche Fehler einräumte. Was aus ihrer Sicht noch auf die Wahl einwirkte: der Unionsstreit aus dem Vorjahr und der Zank mit der SPD in den vergangenen Monaten.
Apropos: Andrea Nahles trat gestern später als angekündigt vor die Presse. Gut geschlafen habe sie nicht, antwortete sie auf die Frage nach ihrem Befinden. Ihre Bilanz zum Wahlergebnis – die SPD wurde von den Grünen überholt – fiel deutlich aus: „Der Ernst der Lage sei allen klar.“So wie die Union am 2. und 3. Juni, plant auch ihre Partei eine Klausurtagung. Am Montag will der Vorstand über Strategien sprechen, wie man die Themen Arbeit und Klima besser vereint und sich in der Regierung profilieren kann. Die im Herbst anstehende Halbzeitbilanz zur Koalition stehe ebenfalls auf der Agenda. Dass sie vorgezogen wird, schließt Nahles derzeit aus. Ebenso ihren Rücktritt: „Die Verantwortung, die ich habe, spüre ich, die will ich aber auch ausfüllen.“Sie will sich nach internen Putschgerüchten in der kommenden Woche in der Bundestagsfraktion vorzeitig zur Neuwahl stellen.