„300 km/h für Elektroautos desaströs“
Formel E. DS-Rennsport-Chef Xavier Mestelan Pinon erklärt, wie die Autobranche auf Greta Thunberg reagiert
Xavier Mestelan Pinon kann zufrieden sein. Als Chef der Rallysparte von Citroën feierte er über fünfzehn Jahre lang Erfolge. Mittlerweile hat er den Verbrennungsmotoren den Rücken gekehrt und sorgt in der elektrischen Rennserie Formel E mit seinem Team DS Techeetah für Furore. Dieses liegt nach starken Platzierungen des amtierenden Weltmeisters JeanEric Vergne und André Lotterer bei der Teamwertung in Führung. Auch im Kampf um den Weltmeistertitel führt Vergne drei Rennen vor Saisonschluss das Feld an.
Von Formel E ins E-Auto
Als Chef von DS Performance, der Motorsportsparte des französischen Autoherstellers DS Automobiles, ist Mestelan Pinon für die technische Weiterentwicklung des Rennwagens verantwortlich. Und diesem kommt in der beginnenden Ära des Elektroautos enorme Bedeutung zu. Denn sämtliche Technologien, von Motor, Gangschaltung, Wandler bis zur komplexen Software, die heute in einem Formel-E-Wagen verbaut sind, landen in den nächsten zwei bis fünf Jahren auch in den Elektroautos für die Straße, wie er im KURIER-Interview erklärt.
„Genau deshalb ist die Formel E für so viele Autohersteller, aber auch alle Zulieferer interessant. Es gibt viel, was wir bei Elektroautos noch verbessern müssen. In der Rennserie können wir zusammen mit unseren Fahrern komplett ans Limit gehen und so die Forschung vorantreiben“, sagt der DS-Performance-Chef. So seien im Rennauto etwa 1.000-VoltBatterien verbaut, während man auf der Straße noch bei 400 bis 600 Volt liege.
Bremsen lädt Akku
Ans Limit gehen Fahrer und Entwickler auch beim Ausreizen der Motorbremse, mit der wertvolle Energie während des Fahrens zurückgewonnen werden kann. In der Formel E konnte der Wert – nicht zuletzt durch SoftwareOptimierungen, aber auch durch das darauf abgestimmte Fahrverhalten – auf 30 bis 40 Prozent hochgeschraubt werden. Mit jedem gefahrenen Kilometer kann folglich die Energie für weitere 300 bis 400 Meter in den Akku zurückgeführt werden.
Anders fahren
„Bei Elektroautos reden alle immer nur über die verwendeten Technologien. Und die entwickeln sich schneller, als ich jemals geglaubt habe. Aber wir müssen den Leuten auch klarmachen, dass es nicht nur um Technologien, sondern umeine andere Fahrphilosophie geht“, sagt Mestelan Pinon. Denn um möglichst energieeffizient unterwegs zu sein, müsse man ein Elektroauto im Straßenalltag auch entsprechend anders verwenden als ein Auto mit Verbrennungsmotor.
300 km/h nicht optimal
Mit dem bewussteren Einsatz der Motorbremse statt dem klassischen Bremspedal könne zwar viel Energie rückgewonnen werden. Gleichzeitig müsse man sich im Klaren sein, dass hohe Geschwindigkeiten einen Preis haben. „Es ist sehr einfach, mit einem Elektromotor auf 300 km/h zu beschleunigen, aber es benötigt enorm viel Energie und ist desaströs für den Akku. Aktuell würde ich deshalb eher nur 150 bis 160 km/h empfehlen. Da braucht es einfach ein neues Bewusstsein“, sagt Mestelan Pinon.
Dass die derzeit verbauten Lithium-Ionen-Akkus noch nicht der Weisheit letzter Schluss sind, ist dem Leiter der Motorsportsparte von DS Automobiles bewusst. Im Moment gehe es fast zu schnell nur in diese eine Richtung, was allerdings auch dadurch erklärbar sei, dass es derzeit keine Alternative gebe: „Fakt ist, dass wir im Labor noch eine bessere Speichertechnologie finden müssen. Und das werden wir auch.“
Zukunft des Autos
Der Umstieg auf Elektromotoren sei aber definitiv richtig. „Schon heute erreichen wir da eine Effizienz von fast 100 Prozent.“Die Formel E sieht Mestelan Pinon folglich als wichtiges Vehikel, um noch mehr Leute und insbesondere die jüngeren Generationen für Elektromobilität zu begeistern: „Die Welt verändert sich massiv. Sehen Sie sich Greta Thunberg an und alle jungen Menschen, die sie hinter sich vereint.
Wir können uns davor nicht verschließen, wir müssen deren Anliegen ernst nehmen.“Für eine Rennserie wie die Formel E könne dies nur bedeuten, dass diese weitaus mehr als reiner Motorsport sein müsse: „Das Auto an sich interessiert junge Leute nicht mehr so wie früher. Eines zu besitzen ist weniger wichtig, als es in gewissen Situationen zu benutzen oder zu teilen. Und natürlich geht es darum, sauberere Technologien zu entwickeln.“