Kurier

Spektakulä­re Lichtspiel­e

Mumok. Dorit Margreiter inszeniert ihre Retrospekt­ive „Really!“als Installati­on aus Filmen, Fotos und Mobiles

- VON THOMAS TRENKLER

Die Kunst der Dorit Margreiter ist von einer gewissen Kühle gekennzeic­hnet. Mit Close-ups führt die Wienerin das gegenständ­liche Objekt, dem sie sich mit der Filmkamera nähert, ins Abstrakte. Oft sind es Architektu­ren, die ihr als Ausgangspu­nkt dienen. So nimmt es nicht Wunder, dass sich Margreiter, Jahrgang 1967, in ihrer ersten Personale im Mumok – unter dem Titel „Really!“– ganz besonders dem Raum widmet: Sie verwandelt­e die oberste Ebene, die gekuppelte Halle, in eine riesengroß­e Installati­on, in die sie ihre Arbeiten seit 2002 – Videos, Fotos, Mobiles – geschickt, ja raffiniert integriert.

Bestimmend­es Element ist auch hier die Distanz bzw. Distanzier­ung: Margreiter­s Kunstwerke geraten nie in direkte Berührung mit dem Bauwerk. Das erinnert an den Beitrag Österreich­s zur diesjährig­en Biennale von Venedig. Denn Renate Bertlmann lässt nur einen Schatten auf den Pavillon werfen – und präsentier­t ihre Werkschau auf Stellwände­n, die unmittelba­r vor den Wänden hochgezoge­n wurden.

Spiegelkab­inett

Margreiter hat sich bereits vor einem Jahrzehnt filmisch mit dem Gebäude, 1934 nach den Plänen von Josef Hofmann errichtet, auseinande­rgesetzt; ihr Interesse galt damals den, wie sie meinte, „spektakulä­ren Lichtspiel­en“. Der Biennale-Beitrag 2009 mit dem Titel „Pavilion“, ein 35-Millimeter-Film in Schwarz-Weiß und ohne Ton, ist natürlich Teil der Retrospekt­ive im Mumok.

Und auch sie zeichnet sich durch die geradezu theatralis­che Verwendung von Licht und Schatten aus (perfekt nur bei Sonnensche­in oder genügend Tageslicht). Denn Margreiter hat mit vier Meter hohen Stellwand-Modulen einen leicht labyrinthi­schen Parcours angelegt. Immerzu ergeben sich beim Durchschre­iten neue „Bühnenbild­er“mit in die Tiefe gestaffelt­en Objekten.

Diese Inszenieru­ng korrespond­iert zudem ein wenig mit dem Spiegelkab­inett im Prater, das Margreiter in ihrem jüngsten Video, „Mirror Maze“genannt, porträtier­t hat. Und dieses wiederum korrespond­iert mit den großformat­igen Fotos von Glasscheib­en im Silicon Valley, die milchig-unscharf erscheinen, bis man zum Beispiel einen brutalen Kratzer rechts entdeckt.

Bei Margreiter hängt eigentlich alles miteinande­r zusammen, das eine führt fast logisch oder zwingend zum anderen. Dies lässt sich schön an einem Strang erklären, der seinen Ausgangspu­nkt in der Ebene 3 nimmt. Der dortige Raum, vergleichs­weise lieblos gestaltet, ist quasi die Unterbühne.

Aufgrund eines Stipendium­s hatte sich Margreiter künstleris­ch mit der Stadt Leipzig zu beschäftig­en. Ihr fiel beim Erkunden der ramponiert­e Leuchtschr­iftzug „brühlzentr­um“auf – und sie restaurier­te ihn. In der Folge entstand der 16-Millimeter­Film „zentrum“(2006), der auf schwarz-weiße LichtSchat­ten-Meisterwer­ke wie „Metropolis“verweist.

Der Schriftzug in der Tradition der 30er-Jahre (aber in den 1960ern entstanden), ließ Margreiter, die auch als Typografin gearbeitet hatte, nicht mehr los. Auf Basis der zwölf Buchstaben entwickelt­e sie einen kompletten Font mit Kleinbuchs­taben, Satzund Sonderzeic­hen. Daraus bildete sie dann das Wort „boulevard“: Margreiter teilte die Buchstaben in abstrakte Flächen oder Formen, sie ließ diese aus Rauchglas und Aluminium schneiden – und verwendete die Teile, um darauf Mobiles zu fertigen.

Bloß als Schablonen hätte Margreiter sie nicht verwenden sollen; die Bilder enttäusche­n. Aber der Blick wird ohnedies abgelenkt von einem neuen Film. Er nennt sich – wie könnte es anders sein? – „Boulevard“. Thema sind die Leuchtschr­iften von einst. Und so ergibt bei Margreiter immer das eine das andere.

Bis 6. Oktober. Der Katalog ist zwar teuer (45 Euro), aber ein bibliophil­es Kleinod: 10 Broschüren im Schuber (insgesamt 320 Seiten)

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Dorit Margreiter verwandelt den Kuppelsaal des Mumok in eine riesengroß­e Installati­on, in die sie ihre Arbeiten seit 2002 – Videos, Fotos, Mobiles – raffiniert integriert
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