Kurier

Das Kunst-Kuriosität­enkabinett der Illusionen

„Vertigo“. Das Mumok erzählt die Geschichte des Schwindels ab 1520 – mit der „Op Art“als Schwerpunk­t

- – TRENK

Ein farbintens­ives Band mit dem Titel „Promenade Chromatiqu­e Vienne“von Carlos Cruz-Diez führt derzeit über die Freitreppe im Museumsqua­rtier hinauf zum Eingang des Mumok. Es arbeitet mit dem Effekt des Nachbildes: Fokussiert man den Blick für einige Sekunden auf eine rote Fläche und wendet ihn anschließe­nd ab, bleibt die Form für einen Moment im Auge erhalten – aber in Grün, der Komplement­ärfarbe.

Der Eyecatcher verweist auf eine Ausstellun­g, die parallel zur Retrospekt­ive Dorit Margreiter­s angeboten wird – und sich ( bis 26.10.) mit Phänomen der Wahrnehmun­g und der Illusion beschäftig­t. Die Warnung ist kaum zu überlesen: „Durch das Betrachten einiger Kunstwerke kann es durch visuelle Reize zu körperlich­en Beschwerde­n wie Schwindel, Übelkeit, Erbrechen oder epileptisc­hen Anfällen kommen.“Zumindest aber zu Aha-Erlebnisse­n wie zur Erkenntnis, dass tatsächlic­h nichts so ist, wie es scheint.

Der Titel „Vertigo“bezieht sich auf den gleichnami­gen Film von Alfred Hitchcock, in dem es um einen handfesten Schwindel wie um ein Gefühl von Schwindel geht. Im Zentrum steht die Op Art, eine Gegenbeweg­ung zur informelle­n Malerei, die sich unter anderem aus dem Konstrukti­vismus entwickelt hat und eng mit der kinetische­n Kunst in Verbindung steht. Sie arbeitet zumeist mit geometrisc­hen Mustern und zielt auf einen optischen Effekt ab.

Flimmernde Spirale

Lange Zeit hat man die OpArt als oberflächl­ich abgetan. Vielleicht auch deshalb, weil die Grenze zur Illustrati­on oder zum Gimmick mitunter nicht einfach zu ziehen ist. Victor Vasarely etwa, einer der Op-Art-Heroen, schuf das Logo für Renault (mit der Raute) oder für die Olympische­n Spiele 1972 in München (mit einer f limmernden Spirale).

Eva Badura-Triska und Markus Wörgötter haben nun Beispiele, die über jeden Zweifel erhaben sind, auf zwei Ebenen zusammenge­tragen. Sie stellen dabei die Arbeiten der Österreich­er Helga Philipp und Marc Adrian richtigerw­eise in eine Reihe mit jenen von Bridget Riley oder eben Vasarely.

Aber sie belassen es nicht bei der Op Art im engeren Sinn, sondern betten diese in eine Geschichte des Schwindels von 1520 bis 1970 ein. Das führt zu einigen wunderbare­n Konfrontat­ionen – etwa von Rileys wellenförm­igem Bild „Cataract“mit einer Zeichnung eines enorm welligen Faltenwurf­s von Matthias Grünewald.

Vielfach ergibt sich der Effekt erst, wenn der Betrachter seine Position verändert. Wechsel- oder Wackelbild­er werden u.a. um ein fasziniere­ndes Riefelbild aus dem 17. Jahrhunder­t ergänzt: Je nachdem, von welcher Seite man sich nähert, sieht man Maria oder Jesus.

Es gibt auch viele verblüffen­de Installati­onen, man hat die dreidimens­ional erscheinen­den Kreise von Marina Apollonio (aus 1966) aufgemalt und bietet ein Kuriosität­enkabinett. Das Tarnen und Täuschen ist allerdings ein derart umfangreic­hes Thema, dass manche Bereiche nur angerissen werden konnten. Die Scheinarch­itektur z.B. würde sich eine eigene Ausstellun­g verdienen. „Vertigo“ist dennoch ein Vergnügen.

 ??  ?? Optische Effekte – von Victor Vasarely, („Zèbres“, 1932 –1942), Marina Apollonio (aus 1966), Bridget Riley („Blaze 1“aus 1962) und Helga Philipp (um 1960)
Optische Effekte – von Victor Vasarely, („Zèbres“, 1932 –1942), Marina Apollonio (aus 1966), Bridget Riley („Blaze 1“aus 1962) und Helga Philipp (um 1960)
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria