Poesie – Provokation – Pop
Kabinettausstellung im Haus der Musik. „Neue Wiener Lieder“(31. Mai–13. Oktober)
Irgendwo zwischen traditionellem Wienerlied, Austropop und modernem Liedermachertum steht das Neue Wienerlied. Eine junge Musikergeneration hat das Genre, um 1800 entstanden und bis heute in zahllosen Schattierungen gepflegt, in den letzten Jahren mit unterschiedlichen neuen Ansätzen ins „Jetzt“geholt.
Künstler wie Ernst Molden, Kollegium Kalksburg, Roland Neuwirth, Der Nino aus Wien, Voodoo Jürgens oder Die Strottern spielen kreativ und klug mit der Tradition und lassen bei allem, was einem Wiener alles ins Gemüt geht, auch das Neue und das andere wie Rock, Reggae, Blues und Pop einfließen.
Burlesk, charmant, feinsinnig und derb, nonchalant, gewieft und manchmal auch hinterfotzig überzeugen ihre Werke im Idealfall mit Selbstironie, Humor und Gesellschaftskritik.
„Poesie, Provokation, Pop“, der plakative Untertitel der kleinen aber feinen Ausstellung „Neue Wiener Lieder“, bringt alles auf den Punkt, was das Wienerlied ausmacht. Wie es „zum zeitgeistigen, kritischen ,Mainstream‘ der Popgeneration wurde“, sagt Kurator Klaus Totzler.
Erinnert wird u. a. an den Liedermacher Reinhart Sellner, Jahrgang 1947, und seine Plattenaufnahmen („Halten verboten“, „Dankeschön“, „Des waa scho wos“) aus Vor-CD-Zeiten. Außerdem an die ab 1960 für die Wiener Dialektwelle des Austropop einflussreiche Musikgruppe Worried Men Skiffle Group. Gründungsmitglied Herbert „Hiero“Janata, 79 Jahre jung, spielt bei der Eröffnung am 30. 5. die Ukulele.
Wiener Raunzertum goes Pop
Man begegnet in der Schau Künstlern, die mit viel Humor mit der deutschen Sprache spielen konnten: Ludwig Hirsch, Sigi Maron, Andre Heller, Ostbahn Kurti sowie die Rockband Wanda mit ihrem Gegenangebot zu Biederkeit und Langeweile aus Schmäh, Sauf-, Kater-, Lebens- und Sterbensliedern. Oder Der Nino aus Wien, einer der aufgewecktesten, eigensinnigsten und originellsten Songwriter der jungen Musikszene.
Bei „Neue Wiener Lieder“geht es „um das Entlarven und das Spiegelvorhalten, aber auch um eine Liebeserklärung“, erklärt Totzler. „Es geht um das Raunzertum und die Arroganz genauso wie um das Goldene Wienerherz und die Heimatverbundenheit abseits politisch fragwürdiger Ideologien. Es geht um die Liebe.“
Das Verrückte, Wilde, Wunderschöne, Schräge und was sich nicht einordnen lässt, ist das Spannende in der Musik. Da sind Schubladen meist entbehrlich. Schon der 2007 verstorbene Liedermacher Georg Danzer beschrieb seine Position provokant: Mit Austropop habe er „nichts am Hut. Nicht nur weil vieles, das man mit dem Attribut Austro versehen hat, später den Bach runtergegangen ist. Das schlimmste Beispiel ist wohl der Austrofaschismus“.
Neben einer Audio/Video-Station zum Anund Nachhören der Neuen Wiener Lieder, sind viele historische Plattencover und Fotos aus den letzten 50 Jahren der Szene ausgestellt. Auch Künstler haben Leihgaben beigesteuert, Ernst Molden einen Hut, sein Markenzeichen. Unter den zahlreichen Memorabilien herausragend: ein alter Apple Laptop Duo 230, der erste Computer, auf dem Danzer seine Texte geschrieben hat.