Kurier

Kogler soll es richten – schon wieder

Grüne. Erst Parteirett­ung, dann EU-Wahl – jetzt Nationalra­tswahl. Werner Kogler ist alternativ­los. Oder?

- VON RAFFAELA LINDORFER

Das Video dauert 13.33 Minuten – das ist ungefähr 13,3 Mal so lange wie die durchschni­ttliche Aufmerksam­keitsspann­e der Generation Smartphone. Sogar die Macher finden es erstaunlic­h, dass es mehr als 150.000 Mal angesehen und mehrere Tausend Mal geliked und geteilt wurde.

Das Video hat nur einen Protagonis­ten, der im Kaffeehaus sitzt und aus seinem Leben erzählt: Werner Kogler. Und der funktionie­rt.

Als Person, als Erzähler, als Wahlkampfm­aschine – davon sind die Grünen überzeugt. 14 Prozent holte der Steirer bei der EU-Wahl für die Partei, die vor eineinhalb Jahren aus dem Nationalra­t flog und strukturel­l wie finanziell völlig darniederl­ag.

Jetzt fühlen sich die Ökos auf Bundeseben­e im Aufwind – man ist wieder wer. Manche Abgeordnet­e, die damals ausgeschie­den sind und sich einen „normalen“Job suchen mussten, spüren schon förmlich den Drehsessel im Plenarsaal in der Hofburg unter sich.

Am Wahlabend zeigten die ersten auf – für die hinteren Plätze, wohlgemerk­t. Wer an der Front stehen soll, wer für sie den Traum vom Comeback verwirklic­hen soll, ließ sich aus den Sprechchör­en bei der Wahlparty ableiten: „Werner, Werner, Werner!“

Voller Rückhalt

Dass sich Werner Kogler drei Tage später noch nicht festlegt, ob er auf sein Mandat im EU-Parlament verzichtet, um gleich den nächsten Wahlkampf anzugehen, ist verständli­ch. Der 57-Jährige will erst einmal durchschna­ufen. Die Zurückhalt­ung dürfte aber auch einen taktischen Grund haben: Er will, dass man ihn bittet.

Nur dann könne er sich des vollen Rückhalts sicher sein, heißt es aus seinem Umfeld. Kogler ist ein gewiefter Stratege und Kommunikat­or – und da kennt er kein Pardon. So überrascht­e er mitten im EU-Wahlkampf in einem KURIER-Interview mit der Ansage, es wäre vielleicht gescheiter gewesen, die Partei wäre damals, nach der Wahlnieder­lage 2017, in Konkurs gegangen.

„Wichtig ist die grüne Idee. Und die hätte auch in einer ganz neuen Partei weiterlebe­n können, mit einer glatteren Struktur und einer deutlich f lotteren Vorgehensw­eise“, sagte er da.

Dafür, dass er den Wiederauf bau in die Hand nahm, stellte er Bedingunge­n: Etwa, dass junge Kräfte in den Vorstand müssen – den Nachwuchs hatten die Grünen zuvor sträflich vernachläs­sigt. Dass es keine reine Listenwahl mehr gibt, die zu Kampfabsti­mmungen und Streit geführt hat (siehe Ausscheide­n von Peter Pilz), ist eines seiner ungeschrie­benen Gesetze. Für die Nationalra­tswahl sollen einige Listenplät­ze für Kandidaten garantiert sein, die der Vorstand vorher aussucht. Bei den anderen Parteien ist das Usus, bei den Grünen herrscht aber Basisdemok­ratie. Herrschte.

Diese Woche ließ Kogler die einzelnen Gremien beraten. Dabei kristallis­ierte sich ein Plan B heraus. Sollte Kogler ablehnen, könnte Oberösterr­eichs LangzeitLa­ndesrat Rudi Anschober den Frontmann machen. Er sei nicht abgeneigt, heißt es; aufdrängen werde er sich aber auch nicht.

Damit endet die Liste an jenen, die bekannt genug und bereit wären, schon. Die Jungen, die man für die Nationalra­tswahl 2022 aufbauen wollte, dürften noch nicht reif sein.

Parteistra­tege Thimo Fiesel, der den EU-Wahlkampf mit Minimalbud­get und einer Heerschar an ehrenamtli­chen Aktivisten lei

„Es braucht jemanden, der unsere Inhalte verkörpert. Kogler ist ein glaubwürdi­ger und kerniger Kämpfer.“

Thimo Fiesel

Grüner Wahlkampfl­eiter

tete, ist bei der Frage nach der Spitzenkan­didatur aber ganz entspannt: Natürlich sei Kogler als „glaubwürdi­ger und kerniger Kämpfer“ein zentraler Faktor für den Erfolg gewesen. „Die Grünen waren aber immer eine Partei, die vorrangig für ihre Inhalte gewählt wurden“, sagt er. Das bestätigen Wahlanalys­en (siehe Bericht rechts).

Für ein erfolgreic­hes Comeback in den Nationalra­t hat Fiesel folgendes Rezept: „Unsere Inhalte sind hochaktuel­l: saubere Umwelt und saubere Politik. Jetzt brauchen wir jemanden, der das verkörpert. Die Mischung aus erfahrenen und frischen Kräften an der Front wird entscheide­nd sein.“Kogler selbst sprach am Wahlabend von einer „Teamlösung“.

Ob er Teil dieses Teams sein wird, will man spätestens in zwei Wochen verkünden. Noch vor dem Sommer wird die Liste formal beim Bundeskong­ress fixiert.

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„Weltrettun­g muss auch Spaß machen“, meinte Werner Kogler im EU-Wahlkampf. Ob er sich den Spaß gibt, für die Grünen in die Nationalra­tswahl zu ziehen, lässt er vorerst offen

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