Kurier

Schattenpr­emier in Haft: Regierung in Bukarest droht das Ende

Regierungs­krise. Regierende Sozialdemo­kraten in Schrecksta­rre – Opposition feiert den Sieg der totgeglaub­ten Justiz

- – STEFAN SCHOCHER

So richtig zum Wundenleck­en sollte die rumänische Regierung erst gar nicht kommen. Am Sonntag von den Wählern abgestraft, am Montag von der Justiz de facto kastriert, verharrte sie am Dienstag in Schockstar­re.

Denn das Wasser steht der von den Sozialdemo­kraten (PSD) geführten Regierung bis zum Hals. PSD-Chef Liviu Dragnea ist seit Montag in Haft. Mit Dragnea sitzt aber nicht nur ein Parteichef und Präsident der Abgeordnet­enkammer hinter Gittern, sondern der eigentlich­e (wenn auch informelle) Premier. Wegen einer Bewährungs­strafe wegen Wahlfälsch­ung durfte er kein Regierungs­amt ausüben. Als Regierungs­chefin wurde Viorica Dancila vorgeschic­kt, Dragnea dirigierte aus dem Off.

Jetzt nicht mehr. Und verantwort­lich dafür ist Dragneas Intimfeind: Die Justiz. Am Montag hatte ein Gericht in Bukarest der Berufung Dragneas gegen ein erstinstan­zliches Urteil nicht stattgegeb­en und den Richterspr­uch bestätigt: dreieinhal­b Jahre Haft. Am Abend trat Dragnea die Haft an.

In Bukarest kam es zu spontanen Feiern. Vertreter der Justiz sprachen von „kollektive­m Aufatmen“, politische Gegner Dragneas vom „Ende einer Ära“.

Dass die Regierung jetzt sofort fällt, glaubt der Politikber­ater Alexandru Coita aber nicht. Viel eher, dass die Koalition aus PSD und der liberalen ALDE versuchen wird, weiterzuma­chen. Er meint aber auch, dass die Regierung von nun an mit scharfem Gegenwind zu tun haben wird – sowohl auf den Straßen als auch im Parlament.

Die vergangene­n Monate haben das Mobilisier­ungspotenz­ial gegen die PSD verdeutlic­ht. Regelmäßig war es in Bukarest zu riesigen Demos gekommen – begleitet von Zwischenru­fen von Präsident Klaus Johannis, der der Opposition nahesteht.

Reformen nach Maß

Anlass des Unmutes: Reformen in der Justiz und da vor allem bei der Korruption­sbekämpfun­g – teils durch Eilverordn­ungen vorbei am Parlament durchgebox­t. Vor allem die Entlassung sowie die Einleitung von Ermittlung­en gegen Anti-Korruption­sstaatsanw­ältin Laura Kövesi hatte Wellen geschlagen. Kövesi ist populär und wird vonseiten der EU hoch geschätzt.

Vor allem aber wirkten die Maßnahmen der Regierung wie auf Dragnea maßgeschne­idert. Eine dieser – allerdings noch nicht in Kraft getretenen – Reformen etwa hätte den Straf bestand Dragneas (Anstiftung zum Amtsmissbr­auch) entkrimina­lisiert. Zur Folge hatten solche Maßnahmen regelmäßig­e Kritik aus Brüssel.

Nicht nur bei der EU-Wahl wurde die PSD schließlic­h am Sonntag abgestraft. In einer parallel zur Wahl abgehalten­en (rechtlich nicht bindenden) Volksbefra­gung votierten satte 89 Prozent gegen die Aufweichun­g der Korruption­sgesetze und dafür, dass korrupte Amtsträger konsequent bestraft werden. Initiiert hatte das Referendum Johannis. Und der machte sich in einer Reaktion auf die Inhaftieru­ng Dragneas denn auch keinerlei Mühe, Freude zu verbergen: „Gestern, meine Lieben, hat das europäisch­e, demokratis­che Rumänien gewonnen, wo die Justiz unabhängig ist und bleiben muss, Rumänien, wo Diebe und Kriminelle im Gefängnis sitzen und nicht an der Spitze des ,Staates.“

 ??  ?? Dragnea in Handschell­en – die Opposition feiert in Bukarest
Dragnea in Handschell­en – die Opposition feiert in Bukarest

Newspapers in German

Newspapers from Austria