Kurier

100-Jährige setzt sich für Freibad ein und ist jetzt Stadträtin

Rheinland-Pfalz. Das Schwimmbad in ihrer Gemeinde wurde geschlosse­n. Deshalb ging die Lehrerin in die Politik.

- VON SUSANNE BOBEK

„Wenn ich nicht reden könnte, hätte ich den ganzen Zirkus nicht gemacht“, sagt Lisel Heise, die älteste Stadträtin Deutschlan­ds. Mit ihren rüstigen 100 Jahren wurde die ehemalige Lehrerin in den Stadtrat im rheinland-pfälzische­n Kirchheimb­olanden gewählt. Sie bekam die meisten Vorzugssti­mmen auf der Liste „Wir für Kibo“: 991 genau in einer Stadt mit knapp 8000 Einwohnern. Damit rückte sie von Listenplat­z 20 auf Platz 1 vor und erhielt damit eines von zwei Mandaten.

Jetzt holen Lisel Heise auch russische TV-Teams vor die Kamera, denn das Wahlergebn­is vom Sonntag sorgt auf der ganzen Welt für Staunen und Bewunderun­g. Die alte Dame weist ihre Zuhörer resolut darauf hin, dass ihre Ohren nicht mehr die Besten sind. Aber sonst wirkt sie wie eine fite 70-Jährige.

Politisch aktiv wurde sie mit 92 Jahren, als im Jahr 2011 ihr heiß geliebtes Freibad aus Kostengrün­den geschlosse­n werden musste. Das passte Lisel Heise nicht. Mit den Jahren zweifelte sie immer stärker an den Beschlüsse­n in ihrer kleinen Stadt, und so zog sie aus, um den Stadtrat zu erobern.

„Die Politik hat sich vom Humanismus zum Kapitalism­us entwickelt“, sagt Lisel Heise. Zudem entziehe die Politik dem menschlich­en Köper das, was für ihn wichtig sei. Das schlimmste Zeichen sei für sie die Schließung des Freibads im Ort gewesen.

Recht auf Schwimmen

Dabei brauche doch der Mensch wie jedes Lebewesen das Wasser. Für sie sei Schwimmen ein „Lebenselix­ier“. Mit ihrer Liste „Wir für Kibo“, die Abkürzung für Kirchheimb­olanden, will sie sich dafür einsetzen, dass „Kibo“ein neues Freibad bekommt.

In ganz Deutschlan­d müssen immer mehr Freibäder schließen, weil viele Gemeinden überschuld­et sind und das Geld anderweiti­g – etwa für Kinderbetr­euung – ausgeben müssen.

Mit der ehemaligen Lehrerin ist da nicht zu verhandeln. Denn neben dem Freibad liegen ihr ja besonders die Kinder am Herzen. „Die Jugend ist hier in das zweite Glied abgeschobe­n worden“, sagt Heise. Sie will deshalb einen Jugendtref­f installier­en.

Vor der Wahl sagte sie noch: „Mir geht’s in erster Linie nicht um den Erfolg, sondern darum, das Richtige zu tun. Ich will den Mund aufmachen, solange ich noch Kraft habe.“Nach der Wahl sieht das anders aus. Der Erfolg, also der Bau eines neuen Freibades ist Lisel Heise wichtig. Die Eröffnung will sie noch erleben.

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Lisel Heise ist die älteste Stadträtin Deutschlan­ds. Sie will, dass ein neues Freibad gebaut wird: „Schwimmen ist mein Lebenselix­ier“

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