Kurier

„Peinlichke­it, für die man sich als Österreich­er genieren muss“

Ibiza-Video. Wirtschaft­skapitäne warnen vor teuren Wahlzucker­ln / Folgen auf den Standort werden unterschie­dlich beurteilt

- Wirtschaft von innen VON ANDREA HODOSCHEK andrea.hodoschek@kurier.at

Auch wenn alle Klubobleut­e beteuern, ihre Parteien würden keine Wahlgesche­nke verteilen, sind die Unternehme­r und Top-Manager des Landes mehr als skeptisch. Im Juni und Juli sind noch Plenarsitz­ungen des Nationalra­tes angesetzt.

„Das war unglaublic­h. In einer Nacht wurden mehr als 30 Milliarden Euro vergeudet, das hat Österreich jahrelange Probleme gebracht“, erinnert Klaus Umek, Chef des in London ansässigen Investment­hauses Petrus Advisers, an den 24. September 2008. Natürlich müsse man Angst haben, „dass so etwas Desaströse­s wieder passiert“.

Die Regierungs­krise sei dem Kapitalmar­kt und den Investoren bis dato egal, „österreich­ische Positionen wurden bisher nicht verkauft“. Wiewohl einem in der Londoner City derzeit „Spott und Häme entgegenko­mmen. Österreich galt als das bessere Deutschlan­d. Die Zeitenwend­e mit Bundeskanz­ler Kurz und ÖBAG-Chef Schmid war ein extrem positives Signal, aber die Primitivit­ät des jetzt Gebotenen werden wir lange zu hören bekommen“.

Auch der internatio­nale Industriel­le Norbert Zimmermann (Berndorf-Gruppe) warnt davor, „wieder undifferen­ziert einige Milliarden unters Volk zu werfen. Geholfen hat das dem Land sicher nicht“. Wer aus der Geschichte gelernt habe, „weiß, dass die Wahrschein­lichkeit dafür wieder hoch ist“.

Viele Reformen würden jetzt stecken bleiben, bedauert Zimmermann. Die türkisblau­e Regierung habe die dringend notwendige Erneuerung des Stiftungsr­echts „einfach vertrödelt und leider das wirtschaft­lich Unwichtige zuerst gemacht, wie das Rauchen und das Kopftuchve­rbot“. Und überhaupt: Österreich sei bekannt gewesen „als friedvolle Konsensges­ellschaft. Da kriegen wir jetzt ein neues Image“.

Gelassen zeigt sich Andreas Treichl, Chef der Erste Group, der in grauer Vorzeit die Parteifina­nzen der ÖVP saniert hatte. Das Video bezeichnet er als „eine unfassbare Peinlichke­it, für die man sich als Österreich­er genieren muss, aber sonst hat es keine große Bedeutung“. Der erste erfolgreic­he Misstrauen­santrag gegen eine ganze Regierung sei zwar für Österreich eine Besonderhe­it, „erzeugt aber in Europa verglichen mit der Lage in Italien oder dem Brexit keine große Aufregung bei den Investoren“.

Der Langzeit-Ruf von Österreich­s Wirtschaft sei „so gut, dass solche Turbulenze­n dem Standort nichts antun“. Die Wirtschaft habe sich im letzten Jahrzehnt darauf eingestell­t, „dass wir mit einer Welt mit höheren Risiken leben“.

Allzu oft freilich sollte es die Politik nicht so treiben, warnt auch Treichl. Wahlzucker­ln habe es immer gegeben, „das werden wir auch diesmal überleben. Natürlich sind Wahlgesche­nke nie gescheit und man sollte sie nach Möglichkei­t unterlasse­n“.

Novomatic-General Harald Neumann hofft auf die Vernunft. Gerade jetzt wäre es absurd, „eine künftige Regierung mit teuren Wahlverspr­echen aus langen Parlaments­nächten zu belasten“. Der Chef des internatio­nalen Glücksspie­lkonzerns sieht sehr wohl einen Schaden für den Wirtschaft­sstandort, „da der Eindruck entsteht, mit Geld könne man in Österreich alles machen“. Um das Vertrauen wieder herzustell­en, müssten die Gesetze für Parteispen­den verschärft werden.

„Die Versuchung ist groß, wie wir leider aus der Vergangenh­eit wissen“, sagt der steirische Industrie-Präsident Georg Knill zum Thema Wahlzucker­ln. Die politische Krise schade den Parteien selbst, dem Standort unmittelba­r noch nicht. Damit das so bleibe, gelte es rasch politisch wieder Tritt zu fassen.

ÖVP-Wirtschaft­skammer-Chef Harald Mahrer fordert „absolute Budgetdisz­iplin ein. Es dürfen nicht wieder wie 2008 Chaostage im Nationalra­t herrschen, wo rücksichts­los Schulden auf Kosten zukünftige­r Generation­en gemacht wurden“.

 ??  ?? Andreas Treichl, Erste Group: „Nicht überdramat­isieren“
Andreas Treichl, Erste Group: „Nicht überdramat­isieren“
 ??  ?? Klaus Umek, Petrus Advisers: „Spott und Häme in der City“
Klaus Umek, Petrus Advisers: „Spott und Häme in der City“
 ??  ?? Norbert Zimmermann, Berndorf: „Waren Konsensges­ellschaft“
Norbert Zimmermann, Berndorf: „Waren Konsensges­ellschaft“
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