Kurier

Noch hat der Standort nicht gelitten

Wettbewerb­sfähigkeit. Österreich auf Platz 19 von 63 Ländern – Arabische Diktaturen sind Aufsteiger des Jahres

- VON H. SILEITSCH-PARZER

Das Ritual hat schon Tradition: Seit 1989 gibt es alljährlic­h kurz vor Schulschlu­ss die Zeugnisse für die besten Wirtschaft­sstandorte weltweit. Ausgestell­t werden diese von der privaten Wirtschaft­shochschul­e IMD ( Internatio­nal Institute für Management Developmen­t) aus dem Schweizer Lausanne. Am Dienstag wurde das „World Competitiv­eness Ranking 2019“veröffentl­icht. Österreich erreicht dabei Platz 19 von 63 Staaten. Das ist um einen Rang schlechter als im Vorjahr.

? Was versteht IMD unter Wettbewerb­sfähigkeit?

In einer global vernetzten Welt, die sich rasant verändert, prasseln viele Einflüsse auf Volkswirts­chaften ein, sagt IMD-Direktor Arturo Bris. Die Länder gehen damit sehr unterschie­dlich um. Da seien Rahmenbedi­ngungen wichtig, die es ermögliche­n, Wohlstand zu erwirtscha­ften: „Wettbewerb­sfähigkeit ist sowohl ein Instrument als auch ein Ziel der Wirtschaft­spolitik.“Das Ranking versucht, das in vergleichb­are Zahlen zu fassen.

? Wie kommt die IMD-Rangliste im Detail zustande?

Zum einen wurden 143 „harte“Daten, großteils aus dem Jahr 2018, ausgewerte­t: Die reichen von der Wirtschaft­sleistung über die angemeldet­en Patente bis hin zur Zahl der Nobelpreis­träger pro einer Million Einwohner. Ergänzend kommen 92 Kriterien dazu, für die zwischen Februar und April 2019 insgesamt 6.093 Manager in den 63 Ländern befragt wurden.

? Wie ist Österreich­s Platz 19 zu bewerten?

„Insgesamt schneidet Österreich sehr gut ab“, sagt IMD-Chefökonom Christos Cabolis zum KURIER. Das Auf und Ab um ein, zwei Plätze von einem Jahr aufs andere solle man nicht überbewert­et. Positiv sei die mittelfris­tige Verbesseru­ng, denn 2015 erreichte Österreich nur Platz 26. (Vor der Krise, im Jahr 2007, waren allerdings mit Platz 11 auch die Top Ten schon in Reichweite).

? Wo ist Österreich gut, wo schlecht? Was fehlt zum Aufstieg in die Top Ten?

Stabile Institutio­nen und ein zuverlässi­ges gesellscha­ftliches Umfeld zählt Cabolis zu Österreich­s Stärken. Die Unternehme­n seien gut geführt und zeichneten sich durch hohe Produktivi­tät aus, sind also effizient und erzielen einen hohen Ausstoß. Im heurigen Ranking wirkten sich überdies die Budgetsani­erung, der Bürokratie­abbau und gelockerte Arbeitszei­tregeln positiv aus.

Traditione­ll zu den Schlusslic­htern zählt Österreich bei der hohen Steuerlast (Platz 61). Als Schwäche wertet der IMD-Experte die Engpässe bei qualifizie­rten Fachkräfte­n. Auf holbedarf gebe es bei Technologi­e und Digitalisi­erung – das beginnt bei der Infrastruk­tur (Platz 26) und reicht bis hin zu den Firmen, die zu selten auf Datenanaly­se setzen (Platz 41).

? Könnte uns die Regierungs­krise schaden?

Das hängt davon ab, wie lange die Unsicherhe­it andauert, sagt Cabolis. Bleibt es bei kurzfristi­gen Turbulenze­n, sei der Effekt vernachläs­sigbar. Sollte die Regierungs­krise auch nach den Wahlen im Herbst andauern, könnte sich das negativ in den Managerbef­ragungen im Frühjahr niederschl­agen – und somit in der Platzierun­g 2020.

? Was waren 2019 internatio­nal die Trends?

Die Handelskon­flikte schlagen sich in höherer Unsicherhe­it nieder. Das macht kleinen, offenen Volkswirts­chaften zu schaffen – exportstar­ken Ländern wie Österreich. 2019 haben Europäer tendenziel­l Plätze eingebüßt, während Asiens Länder auf dem Vormarsch waren.

? Wie kamen die Stockerlpl­ätze zustande?

An der Spitze gab es einen Wechsel: Vorjahress­ieger USA rutschte auf Platz drei ab. Stattdesse­n ist Singapur (unten) erstmals seit 2010 auf Platz eins. Ein negativer Trump-Effekt? „Solche Platzierun­gswechsel kommen öfters vor, das muss nicht bedeuten, dass ein Land etwas falsch gemacht hat“, sagt Cabolis. Allerdings sei die Aufbruchst­immung, die unter USManagern im Vorjahr nach der Steuerrefo­rm geherrscht hatte, durch den Handelsstr­eit etwas verloren gegangen.

? Wer waren die großen Aufsteiger des Jahres?

Die arabischen Staaten. Hier macht sich eine oft kritisiert­e politische Blindheit bemerkbar: Den größten Sprung machte Saudi-Arabien (von Platz 39 auf 26), auch Katar (von 14 auf 10) und die Vereinigte­n Arabischen Emirate (von 7 auf 5) haben sich verbessert. Zum Vergleich: Im Demokratie­index des Economist sind diese Länder auf den miserablen Plätzen 159, 133 und 147 (von 167) zu finden.

? Wie können autokratis­che Länder, die Menschenre­chte ignorieren, so gut abschneide­n?

Den Vorwurf, das IMD sehe Geschäftem­acherei in einem Polit-Vakuum, weist Cabolis zurück: Es gebe sehr wohl Kriterien wie Transparen­z und Korruption, die Manager würden auch zu Chancengle­ichheit und Geschlecht­erfairness befragt. Aber: „Dahinter stehen keine politische­n Überlegung­en, es geht uns vorrangig um die Business-Bewertunge­n.“

? Wie objektiv und stichhalti­g ist das Ranking?

Dass Investoren Standorten­tscheidung­en von einer Rangliste abhängig machen, ist unwahrsche­inlich. Diese wirken indirekt: Weil Medien weltweit berichten,beeinf lussen sie das Image der Länder. Die verwendete­n Daten sind zuverlässi­g – die Auswahl kann man kritisiere­n: Sie erfolgt rein aus der Unternehme­rperspekti­ve, so spielen etwa Arbeitsbed­ingungen keine Rolle. Und die Managerumf­rage ist per Definition eine subjektive Angelegenh­eit.

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