„Reform des Stiftungsrechts ist nötig“
Ludwig Bittner, Präsident der Notariatskammer, sieht in einigen Bereichen Handlungsbedarf
Rund 3.000 Stiftungen gibt es in Österreich, das Stiftungsvermögen wird auf etwa 70 Milliarden Euro geschätzt. Doch obwohl die Zahl der Vermögenden stetig steigt, werden hierzulande immer weniger Stiftungen gegründet. „Das ist ein Alarmsignal“, warnt Ludwig Bittner, Präsident der Österreichischen Notariatskammer (ÖNK). Der Grund für die mangelnde Attraktivität der Stiftungen liegt für ihn in der strengen Judikatur der vergangenen Jahre. Auch die Tatsache, dass anfänglich bestehende Steuerbegünstigungen Schritt für Schritt gefallen sind, hat dazu beigetragen. „Dadurch wurde der ursprüngliche Gedanke der Stiftungen zu Grabe getragen“, sagt Bittner. Die Möglichkeit, das Vermögen in Privatstiftungen einzubringen, gibt es seit 1993. Damals hatte die rot-schwarze Koalition unter Bundeskanzler Franz Vranitzky und SPÖ-Finanzminister Ferdinand Lacina das Privatstiftungsgesetz beschlossen. Als eine Art „Familienholding“soll sie vor allem über Generationen hinweg den Erhalt des Vermögens absichern und die Aufteilung des Vermögens im Zuge von Erbschaften verhindern.
Mehr Autonomie
Bittner fordert in diesem Zusammenhang den Gesetzgeber dazu auf, die Autonomie des Stifters beziehungsweise der Begünstigten deutlich zu stärken. „Sonst fahren sie wieder nach Liechtenstein“, warnt der Präsident der Notariatskammer. Denn nicht mehr sie, sondern nur der Stiftungsvorstand hat die Kontrolle über das Vermögen. Dieser jedoch ist allein dem Stiftungszweck verpflichtet, den der Stifter in der Stiftungsurkunde festgelegt hat, nicht aber den einzelnen Begünstigten, die jedoch beispielsweise Dividenden aus der Stiftung erhalten können. Ein weiterer Punkt, der Bittner zufolge in diesem Zusammenhang neu geregelt gehört, ist der Ausstieg aus einer Stiftung. Der kommt derzeit teuer: wird die Stiftung aufgelöst, werden für Vermögenszuwächse der Stiftung 27,5 Prozent Kapitalertragssteuer fällig. „Eine Stiftung ist derzeit in steuerlicher und rechtlicher Hinsicht eine Melkkuh“, so Bittner.
Niedrigerer Zinssatz
Aber nicht nur im Stiftungs-, sondern auch im Erbschaftsrecht sieht er dringenden Reformbedarf. Und zwar bei der seit der Erbrechtsnovelle 2017 möglichen Stundung des Pflichtteilsrecht. Konkret geht es Bittner dabei um die dabei anfallenden gesetzlichen Stundungszinsen von vier Prozent, mit denen der Pflichtteilsbetrag verzinst werden muss. Angesichts des aktuellen Zinsniveaus seien diese viel zu hoch. Daher würde auch so gut wie niemand die Stundung des Pflichtteilsrecht in Anspruch nehmen. „Die Erben gehen lieber zur Bank und nehmen einen deutlich günstigeren Kredit auf, um die Miterben auch ohne Pflichtteilsregelung auszahlen zu können“, spricht Bittner aus Erfahrung.
Weg mit den Gebühren
Nach wie vor auf Bittners Liste findet sich darüber hinaus das Gebührengesetz. „Die Gebühren auf Eheverträge, Leasing- und Mietverträge im Gewerbebereich gehören ebenfalls abgeschafft. Dass es geht, zeigt ja der Wegfall der Gebühren auf Mietverträge im Wohnungsbereich“, sagt Bittner. Damit würde die Regierung den heimischen Unternehmen einen großen Schritt entgegenkommen, ist er überzeugt. Eheund Partnerverträge, die Bittner zufolge zur unternehmerischen Verantwortung gehören, beispielsweise würden angesichts der hohen Gebühren nämlich nur selten abgeschlossen. Diese gelten in den Augen der Finanz nämlich in der Regel als außergerichtlicher Vergleich, der mit zwei Prozent des Verkehrswerts des Vermögens vergebührt werden muss. „Immer wieder werden dann Umgehungskonstruktionen errichtet, die jedoch zu Las
„Eine Stiftung ist derzeit in steuerlicher und rechtlicher Hinsicht eine Melkkuh.
“Ludwig Bittner ÖNK-Präsident
ten der Rechtssicherheit gehen“, sagt Bittner.
Hinweis: Familienbetriebe sind das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft. Daher startet an dieser Stelle wieder die Serie „Family business“, die die Österreichische Notariatskammer den heimischen Familienbetrieben widmet. Immer in der letzten Woche vor Monatsende, von Juni bis Dezember.