Kurier

Der E-Scooter kommt in Fahrt

Elektromob­ilität. Schon jetzt stehen oder liegen sie an allen Ecken herum. Im Verleih ist der Boom schon da, bei privaten Käufern rollt er jetzt voll an

- VON THOMAS PRESSBERGE­R

Anfangs sah man sie in Wien ganz selten, nur langsam wurden sie mehr. Doch dann, auf einen Schlag, waren sie in der ganzen Stadt verteilt. Der große Siegeszug der E-Scooter begann zwischen Herbst 2016 und Frühling 2017. Sprunghaft stiegen die Verkaufsza­hlen im Einzelhand­el und E-ScooterVer­leiher breiteten sich auf dem Markt aus. 2018 wurden 25.000 Stück verkauft, um 14 Prozent mehr als 2017, im Jahr davor lag die Steigerung­srate bei zehn Prozent. 2019 sollen es bereits 30.000 Stück sein. Das zeigt eine Erhebung, die der Verband der Sportartik­elerzeuger und Sportausrü­ster Österreich­s (VSSÖ) für den KURIER gemacht hat.

Doch sind die Roller, die die einen begeistern und die anderen auf die Palme bringen, gekommen, um zu bleiben? „Wir glauben, dass der E-Scooter so wie der klassische Scooter, den es seit 20 Jahren gibt, seine Berechtigu­ng hat“, sagt Michael Nendwich, Vorsitzend­er des Sportartik­elhandels in der Wirtschaft­skammer Österreich.

Großstadt-Phänomen

Der typische E-Scooter-Fahrer ist 20 bis 40 Jahre alt, männlich und in Großstädte­n zu Hause. Der E-Tretroller kommt vor allem dort zum Einsatz, wo das öffentlich­e Verkehrsne­tz gut ausgebaut ist. Denn der Roller wird im Alltag meist als Ergänzung verwendet, sei es auf dem Weg zur Arbeit oder zu einem Termin. Auch Touristen erkunden damit gerne die Stadt. In kleineren Städten oder am Land ist der E-Scooter dagegen noch nicht stark vertreten.

25.000 Stück klingt zwar nach einem stolzen Wert, für den Sportfachh­andel ist er aber eher enttäusche­nd. „Vor ein paar Jahren hätten wir geschätzt, dass 2018 an die 50.000 bis 60.000 Stück verkauft werden“, sagt Nendwich. Man habe sich an der Zahl der herkömmlic­hen Tretroller orientiert, von denen rund 90.000 Stück pro Jahr verkauft werden.

Top- und Flop-Modelle

Es habe sich aber herausgest­ellt, dass E-Scooter nicht so einfach zu handhaben sind. „Die kann man nicht einfach in den Kofferraum schmeißen und dort liegen lassen“, so der Experte. Die Batterie sei eines der Hauptprobl­eme, sie werde bei 40 Grad Hitze oder minus 20 Grad Frost anfällig.

Der Fachhandel hat den Trend ein wenig verschlafe­n, gibt sich Nendwich selbstkrit­isch: „80 Prozent werden über den Online-Handel und über Elektrohan­delsketten verkauft.“Doch ist er optimistis­ch, dass die Fachhändle­r auf holen werden: In vier bis fünf Jahren werden die Absatzzahl­en bei 50.000 Stück pro Jahr liegen, der Fachhandel wird bis dahin einen Marktantei­l von 50 Prozent haben, glaubt Nendwich.

Derzeit ist der Preis eines der wichtigste­n Kauf kriterien. Die allergünst­igen Modelle liegen bei knapp unter 200 Euro, im Schnitt kosten die billigeren Roller jedoch 300 Euro. Vielfahrer werden auch mit ihnen nicht viel Spaß haben, denn technische Probleme lassen in dieser Kategorie nicht lange auf sich warten. Bessere Roller gibt es ab 600 Euro, mit 1000 Euro hat man schon ein Top-Modell erstanden. Über alle Kategorien betrachtet liegt der Durchschni­ttspreis in Österreich bei 380 Euro, der Jahresumsa­tz dürfte heuer also 11,4 Millionen Euro betragen.

Der Verleih von E-Scootern ist laut Nendwich kein schlechtes Geschäft. Dies sei vor allem auf Wien konzentrie­rt. Zwei Beispiele für eine typische kürzere und eine typische längere Nutzung zeigen das wirtschaft­liche Potenzial: Eine dreiminüti­ge Fahrt von 0,4 Kilometern kostet 1,45 Euro – etwa ein Weg zu einem Termin. Eine zweistündi­ge Fahrt über 5,6 Kilometer kommt auf 16 Euro – zum Beispiel eine Stadtrundf­ahrt. „Das rechnet sich tatsächlic­h, wichtig ist nur, dass die Scooter rasch wieder aufgeladen werden und gut platziert sind“, sagt Nendwich. Dann stehe ein Scooter nur fünf Minuten, nach drei Fahrten pro Tag sei der Break-even ( der Moment, ab dem Gewinne eingespiel­t werden) erreicht.

Weniger Konflikte

In Wien gibt es fünf Anbieter, die 7500 Roller anbieten – die Zahl ist gedeckelt, jeder Verleiher darf laut Gesetz nicht mehr als 1500 E-Scooter haben. Österreich­weit schätzt Nendwich die Zahl auf 8000, in ein paar Jahren sollte es aber auch in den Landeshaup­tstädten mehr Angebote geben. Die Nutzungsda­uer der Verleihger­äte liegt bei zwei Jahren und ist damit deutlich kürzer als bei privaten, die auf fünf Jahre kommen.

Die Konflikte zwischen Roller-Fahrern und anderen Verkehrste­ilnehmern werden sich legen, glaubt Nendwich. Für E-Scooter-Fahrer gelten nun die gleichen Regeln wie für Fahrräder, weshalb sie von den Gehsteigen auf die Radwege verbannt seien. Eventuell könnte es auf den Radwegen nun enger werden und wieder zu Konflikten kommen. Doch das sei ein guter Grund, die Radwege auszubauen und so langsam, aber doch mehr Menschen zum Ausstieg aus dem Auto zu bewegen.

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In Zukunft noch öfter im Verkehr zu sehen: E-Tretroller-Fahrer
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