Kurier

Als Haydns Schädel aus dem Grab gestohlen wurde

210 Jahre danach. Zur Untersuchu­ng des Kopfes

- VON GEORG MARKUS

Kein anderer Todesfall eines Komponiste­n hat derartiges Aufsehen erregt wie der von Joseph Haydn – wenn auch erst viele Jahre danach. Der Grund war, dass sein Schädel nach der Beerdigung aus seinem Grab verschwund­en ist.

Haydn, der „Meister der Wiener Klassik“, starb vor 210 Jahren, am 31. Mai 1809 im Alter von 77 Jahren „infolge allgemeine­r Entkräftun­g“in seiner Wohnung in der heutigen Haydngasse 6 in Wien. Drei Tage nach der Beerdigung am Hundsturme­r Friedhof in Meidling – an dessen Stelle sich der heutige Haydnpark befindet – wurde der Schädel des Komponiste­n aus seinem Grab gestohlen.

Haydns Genie

Wie sich später herausstel­len sollte, hatte Joseph Carl Rosenbaum, der ehemalige Sekretär des Fürsten Esterházy, den Auftrag dazu gegeben. Haydn war lange als Hofmusiker in Esterhazys Diensten gestanden.

Rosenbaum war ein Anhänger der sogenannte­n „Schädelleh­re“des Arztes Franz Joseph Gall, mit deren Hilfe anhand der Kopfform Haydns Genie ergründet werden sollte. An dem fragwürdig­en Unternehme­n waren neben Rosenbaum auch der Totengräbe­r, ein Gefängnisw­ärter und zwei Magistrats­beamte beteiligt, die das Grab bei Nacht und Nebel widerrecht­lich öffneten und ihm den Schädel entnahmen.

Entdeckt wurde der Diebstahl erst, als Haydns sterbliche Überreste 1820 exhumiert und in die Bergkirche – die heutige Haydnkirch­e – nach Eisenstadt überführt werden sollten. Im Jahr 1839 wurde der Schädel durch Rosenbaums Witwe an den Arzt Karl Haller übergeben, von diesem gelangte die „schätzbars­te Reliquie“1852 dann an den berühmten Pathologen Carl von Rokitansky, der sie ebenfalls genau untersucht­e.

Rokitansky­s Söhne überließen den verschwund­enen Schädel 1895 in den „unwiderruf­lichen immerwähre­nden“Besitz der Gesellscha­ft der Musikfreun­de, die ihn neuerlich untersuche­n ließ, und zwar durch den Anatomen und Wiener Gesundheit­sstadtrat Julius Tandler.

Echtheit des Schädels

Immerhin gelang es Tandler durch einen Vergleich mit Haydns Totenmaske die Echtheit des Schädels nachzuweis­en. Im Jahr 1954 kam es unter den Klängen der „Kaiserhymn­e“endlich zur feierliche­n Beisetzung des Schädels in Haydns Grab und damit zur Vereinigun­g mit den restlichen Gebeinen des Komponiste­n.

Haydn hatte seine letzten Lebensjahr­e in seiner Wohnung in Wien-Gumpendorf verbracht. Als es mit ihm im Frühjahr 1809 zu Ende ging, war die Stadt gerade von französisc­hen Truppen besetzt. Napoleon, der sich in Wien auf hielt, erfuhr, dass der große Joseph Haydn im Sterben lag. Er ließ vor dessen Haustor eine Sterbewach­e aufstellen und die Straße mit Stroh bestreuen, damit der Meister nicht durch das Rumpeln der Wagenräder gestört würde.

georg.markus@kurier.at

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Durch den „Grabraub“sollte Haydns Genie ergründet werden
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