Kurier

„Spitzenspo­rtler leben in einer Blase“

Sonja Frey. Die Handball-Teamspiele­rin über Fluch und Segen des Profitums und warum ihr Gewissen rein ist

- VON PHILIPP ALBRECHTSB­ERGER

Während andere Leistungss­portler ihre geschunden­en Körper in der kurzen Sommerpaus­e in luxuriösen Strandhote­ls erholen, zieht es Sonja Frey auf eine Hütte in die Osttiroler Berge. Kein Strom, kein fließendes Wasser, kein Handyempfa­ng. „Es tut mir gut“, sagt die Wienerin. Nach Jahren in Deutschlan­d und Frankreich beginnt für die 26-Jährige bald ein neues Kapitel in der dänischen Topliga bei Esbjerg.

KURIER: Wie groß ist die Vorfreude auf Dänemark? Sonja Frey:

Das ist genau das, was ich jetzt brauche: ein neuer Input in einer starken Liga. Wir haben im EHF-Cup gegen Esbjerg gespielt, und die Atmosphäre dort hat mich sofort fasziniert.

War immer klar, dass Sie Frankreich verlassen werden?

Klar war es nicht, weil Frankreich ein großartige­s Land ist, auch, was den Damen-Sport betrifft. Das Interesse der Öffentlich­keit ist groß. Das hat mich anfangs doch auch überrascht. Sport ist dort Teil des täglichen Lebens. Wir waren vertraglic­h dazu verpflicht­et, regelmäßig in Schulen zu gehen und Trainings abzuhalten.

Welche Rolle spielen die gesellscha­ftlichen oder kulturelle­n Gegebenhei­t in einem Land für Sie bei einem Wechsel?

Frankreich hat mich kulturell gereizt, Dänemark ist eine handballbe­zogene Entscheidu­ng gewesen. Andere Angebote habe ich aus anderen Gründen abgelehnt.

Weshalb?

Ich finde es sehr schwer, in ein Land zu gehen, in dem Frauen nicht wertgeschä­tzt oder andere Kulturen diskrimini­ert werden. Wo Spielerinn­en aufgrund ihrer Hautfarbe und Herkunft Rassismus ausgesetzt sind, von Zusehern oder Trainern. Aber es geht auch anders. Das dänische Herren-Team hat auf Teile des Gehalts verzichtet, damit das Frauen-Team die gleichen Rechte im Verband bekommt. Das kann ich mir selbst in Österreich nur sehr schwer vorstellen.

Wie viele solcher Angebote haben Sie schon abgelehnt?

Einige. Aber bis jetzt bin ich noch nicht schwach geworden. Mein Gewissen ist rein, was das betrifft.

Sie haben Rassismus angesproch­en. Wie ist Ihnen der im Sport begegnet?

Mitspieler­innen sind Affengesän­gen ausgesetzt, und leider wurde eine Freundin vom eigenen Trainer minderwert­ig behandelt. Generell versuchen Vereine und Verbände, die Spielerinn­en zu schützen, aber es kann passieren. Der Sport mit seinen verschiede­nen Nationalit­äten ist eine Art Versuchsla­bor für die Gesellscha­ft. Gleichzeit­ig leben wir Spitzenspo­rtler in einer Art Blase.

Woran machen Sie das fest?

Es wird einem viel vom Verein abgenommen. Sachen, die ein Normalverb­raucher selbst regeln muss. Du brauchst weder Miete noch Versicheru­ngen selbst zahlen, alles wird automatisc­h vom Einkommen abgezogen. Und der Verein liegt in der Verantwort­ung. Es besteht dadurch die Gefahr, unselbstst­ändig zu werden. Ich versuche, aus diesem Muster immer wieder auszubrech­en und weiß es als Privileg zu schätzen.

Wie gut können Sie vom Handball leben?

Ich kann gut davon leben und mir sogar noch etwas zur Seite legen.

Sie sind zwar erst 26 Jahre, aber denken Sie schon an die Karriere nach der Karriere?

Bei meiner Zeit beim Thüringer HC habe ich die Ausbildung zur Physiother­apeutin abgeschlos­sen. Das waren drei Horror-Jahre, aber es hat sich gelohnt. Ich wollte unbedingt etwas haben, um nicht mit 30 oder 32 Jahren mit leeren Händen dazustehen. Klar ist auch, dass meine sportliche Leistung in dieser Zeit ein wenig gelitten hat.

Sind Sie stolz, Ausbildung und Sport vereint zu haben?

Ich weiß zwar noch nicht genau, in welcher Richtung ich tätig sein will, aber dafür weiß ich eines: Wenn morgen der Handball für mich zu Ende ist, wäre es kein Problem. Ich wollte mich nie nur über Handball definieren.

Inwieweit hat der Verein Ihre Ausbildung unterstütz­t?

Der Klub hat mich von den Vormittags­trainings freigestel­lt. Die deutschen Vereine, bei denen die Spielerinn­en weniger verdienen als in Frankreich oder in Skandinavi­en, sind sehr kulant. Die sportliche Leistung hat dennoch stimmen müssen. Wenn wir von Auswärtssp­ielen um drei Uhr früh zurückgeko­mmen sind, gab es keine Regenerati­on für mich, denn vier Stunden später hat mein Dienst im Spital begonnen.

Wenn Sie einen Wunsch für den Damen-Handball frei hätten, wie sähe der aus?

Wir brauchen mehr Biss, es hängt viel von der Eigendiszi­plin der Mädchen ab. Österreich ist kein Land, das kleinere Sportarten im Frauenbere­ich fördert, es funktionie­rt nur durch Eigenveran­twortung. Ganz generell wünsche ich mir, dass der Staat den Spitzenspo­rt fördert und wertschätz­t. Es sollte erleichter­t werden, Leistungss­port in Verbindung mit der Ausbildung oder dem Job betreiben zu können und dass man sich nicht für eines entscheide­n muss. In Deutschlan­d funktionie­rt das besser.

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Kein Durchkomme­n: Im WM-Play-off scheiterte­n Sonja Frey und das Nationalte­am zuletzt an Ungarn
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