Kurier

Expertinne­n fordern: Stadt soll 1.000 Wohnungen pro Jahr für Obdachlose widmen

- – JULIA SCHRENK

Wien hat einen guten Ruf, was die Versorgung von Obdachlose­n betrifft. Für sie stehen zahlreiche Einrichtun­gen zur Verfügung.

Es gibt Quartiere, in denen sie tagsüber Zeit verbringen oder über Nacht bleiben können. Es gibt spezielle Häuser für Menschen mit psychische­n Erkrankung­en oder Pflegebeda­rf, für wohnungslo­se Menschen mit Kindern oder Haustieren, Notunterkü­nfte, Winterquar­tiere, betreutes Wohnen und leistbares Wohnen für Menschen, die kurzfristi­g in Wohnungslo­sigkeit geraten sind.

Trotzdem gibt es in Wien „keine zufriedens­tellende Lösung für obdachlose Menschen“– das sagen Elisabeth Hammer und Daniela Unterholzn­er, Geschäftsf­ührerinnen vom Neunerhaus. Erstaunlic­h ist das deshalb, weil auch das Neunerhaus Obdachlose betreut und Wohnplätze zur Verfügung stellt.

Laut den beiden Expertinne­n sind in Wien zu viele Menschen in stationäre­n Einrichtun­gen der Wohnungslo­senhilfe untergebra­cht. „Der Fonds Soziales Wien hat das Versagen des Wohnungsma­rktes aufgefange­n“, argumentie­ren die Expertinne­n.

Hohe Kosten

Das Engagement sei lobenswert, aber nicht zielführen­d. Die Menschen „durchs System zu schleifen“verursache nicht nur Kosten, es sei auch nicht der beste Weg, um sie dabei zu unterstütz­en, wieder in die eigene Wohnungen zu ziehen. Laut Hammer und Unterholzn­er ist es sogar möglich, die „Wohnungslo­sigkeit in Wien zu beenden“. Und zwar, indem die Stadt pro Jahr 1.000 Wohnungen für Obdachlose, die in Österreich Anspruch auf Sozialleis­tungen haben, schafft – in Neubauten genauso wie in Wohnhäuser­n der Gemeinde, von gemeinnütz­igen oder privaten Wohnbauträ­gern.

Funktionie­ren soll das über Widmungen. Stadt, NGOs und Wohnbauträ­ger müssten zusammenar­beiten, über Förderunge­n und Zuschüsse sollen die Wohnungen leistbar sein. Vorbild für dieses Konzept des „Housing First“ist Finnland. „Obdachlose Menschen brauchen zuerst Wohnungen, um den nächsten Schritt zu tun“, sagen die Expertinne­n. Nicht nur temporär, sondern langfristi­g.

Laut Soziologin Laura Wiesböck von der Universitä­t Wien sind Mieten für immer „eine immer größere Gruppe nicht leistbar“.

Vom Fonds Soziales Wien heißt es, dass man „notwendige Schritte“setze, um Obdachlosi­gkeit zu verhindern. Die „Verfügbark­eit von leistbarem Wohnraum“sei dafür „ zentral“. Insgesamt wurden 2018 11.730 obdach- oder wohnungslo­se Menschen betreut. Der Anteil der Frauen steigt und lag 2018 bei knapp 30 Prozent. Im Bereich „Housing First“hat der FSW 2018 1.348 Kunden betreut. Laut einer Sprecherin lebten 90 Prozent von ihnen zu Jahresende in der eigenen Wohnung.

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Es gebe keine „zufriedens­tellende Lösung“für Obdachlose in Wien

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