Kurier

Das Erbe kann wiederkomm­en:

Globale Kultur. Die Debatte um die Rückgabe von Kunst aus einstigen Kolonien befeuert ambitionie­rte Bauprojekt­e. In der Neuverteil­ung kulturelle­r Werte mischen auch Länder wie China und Korea mit.

- VON MICHAEL HUBER

Wo wird man in Hinkunft Kunst aus Afrika und anderen Weltgegend­en sehen, die einst von Kolonialmä­chten beherrscht waren? In Berlin, wo mit dem Humboldt Forum ein großes neues Museum entsteht, wird man zumindest bis 2020 warten müssen: Zur anhaltende­n Diskussion über den – aus Sicht mancher Kritiker ungenügend­en – Umgang der Institutio­n mit kolonialer Geschichte kamen zuletzt bautechnis­che Probleme, die Eröffnung wurde verschoben.

Inzwischen wird die globale kulturelle Landkarte weiter neu gezeichnet. Seit Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron postuliert­e, dass während der Kolonialze­it zusammenge­raffte Kulturgüte­r in ihre Herkunftsl­änder zurückkehr­en sollten, sind Dinge in Bewegung geraten. Die Perspektiv­e auf Rückgaben beflügelt die Stärkung der kulturelle­n Infrastruk­tur in Staaten, die aus westlicher Perspektiv­e bisher wenig wahrgenomm­en wurden. Wer auf Museumspro­jekte in afrikanisc­hen Ländern blickt, erkennt dabei viele neue Spieler am Feld.

Zivilisati­onen

Offensicht­lich wurde dies, als im vergangene­n Dezember in Dakar das „Musée des civilisati­ons noires“(Museum schwarzer Zivilisati­onen, kurz MCN) eröffnete. Der enorme, in seiner Form traditione­llen Rundhütten nachempfun­dene Bau umfasst eine Fläche von rund 14.000 m² und ist ein monumental­es Zeichen dafür, dass das Land seinen Kulturgüte­rn sehr wohl adäquaten Platz zur Verfügung stellen kann. Wenig überrasche­nd bekräftigt­e der Kulturmini­ster Senegals, Abdou Latif Coulibali, bei der Eröffnung gleich den Wunsch nach der Rückgabe zahlreiche­r Objekte aus französisc­hen Museen.

Neue, profession­ell betriebene Schauplätz­e für afrikanisc­hes Kulturgut gibt es auch in Togo, wo das „Palais de Lomé“mit einem Schwerpunk­t auf angewandte Kunst demnächst eröffnet, und in Südafrika, wo das „Javett Art Centre“in Pretoria Funde der Eisenzeit ausstellen wird.

Die afrikanisc­hen Staaten können derartige Großprojek­te freilich nur zum Teil selbst finanziere­n. In Dakar investiert­e die Volksrepub­lik China 34 Millionen US-Dollar in den Bau des MCN – und beschäftig­te bei der Umsetzung chinesisch­e Firmen.

Die neuen Sponsoren

In Kinshasa, der Hauptstadt der demokratis­chen Republik Kongo, entsteht derzeit ein neues historisch­es Museum, die Mittel für den Bau stammen zu einem maßgeblich­en Teil aus Südkorea. Laut Angaben der koreanisch­en Entwicklun­gsagentur KOICA wurden 20 Millionen US-Dollar bereitgest­ellt, der Großteil für Baukosten. Je 950.000 US-$ sind aber für aus Korea entsandte Experten und das Training des Personals vor Ort gewidmet.

Dass Länder wie China und Korea in Afrika in Infrastruk­turprojekt­e und in den Bau von Einrichtun­gen wie Fußballsta­dien investiere­n, ist seit Langem bekannt – dass Kulturspon­soring auch eine Möglichkei­t ist, geistiges Territoriu­m zu gewinnen, weniger. „Man darf nicht unterschät­zen, welche Rolle die Kolonialge­schichte spielt und wie präsent dieses Erbe im Denken der Leute ist“, sagt Barbara Plankenste­iner, Direktorin das Museums am Rothenbaum/Kulturen und Künste der Welt in Hamburg. „Ein Fußballsta­dion ist auch schön, aber ein Museum hat einen ganz anderen Stellenwer­t. Das ist ein unglaublic­hes symbolisch­es Kapital, das für Politiker hier wie dort mit Interessen verbunden ist.“Gerade für Korea, das selbst eine Geschichte der Besetzung durchmacht­e, ist es eine Frage des Renommees, nun anderen Ländern unter die Arme greifen zu können.

Am Anfang

Das Museum in Kinshasa soll im September eröffnet werden. Im Afrika-Museum im belgischen Tervuren, das selbst erst vergangene­n Dezember den Neustart in einer renovierte­n, „dekolonisi­erten“Form feierte, sind noch keine formellen Restitutio­nsansuchen eingegange­n. Doch der Aufarbeitu­ngsprozess zwischen einstigen Kolonien und Ex-Kolonialmä­chten steht erst am Anfang.

Im Februar klopfte die Regierung des nigerianis­chen Bundesstaa­tes Lagos beim British Museum an, um die Rückgabe des sogenannte­n „Lander Stools“zu verlangen: Die Holzskulpt­ur, die der Eroberer Richard Lander

 ??  ?? Das „Musée des civilisati­ons noires“in Dakar wurde im Dezember 2018 eingeweiht. Der Bau ist traditione­llen Rundhütten nachempfun­den
Das „Musée des civilisati­ons noires“in Dakar wurde im Dezember 2018 eingeweiht. Der Bau ist traditione­llen Rundhütten nachempfun­den
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Im Bau: Das „Javett Art Centre“in Pretoria/Südafrika zeigt u.a. archäologi­sche Funde
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Das „Palais de Lomé“ist eine zum Kulturzent­rum umgebaute Kolonialvi­lla in Togo

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