Stimmungsvolle Antikriegsoper
Musiktheater. Im Ronacher gibt es im Juli mit „Die Tagebücher von John Rabe“ein sehenswertes Gastspiel aus China
Der zeitgenössischen Musik eilt der Ruf voraus, manchmal sperrig und unzugänglich zu klingen. Auf die Komposition der Oper „Die Tagebücher von John Rabe“von Tang Jianping trifft dieses Urteil nicht zu. Meisterhaft schuf Tang in diesem Werk einen breiten, eingängigen Orchestersound, der Assoziationen mit der Romantik ebenso wie mit klassischer Filmmusik weckt und von melodischen Gesangslinien begleitet wird. Derzeit ist das Jiangsu Centre for Performing Arts mit dem Stück auf Europatournee und gastiert am 9. und 10. Juli im Wiener Ronacher.
Die melancholische Grundstimmung der Oper ist der Handlung geschuldet: Als die Japaner in den 1930er-Jahren die damalige chinesische Hauptstadt Nanjing besetzten, fanden 250.000 Menschen in einer Sicherheitszone Schutz vor den Besatzern. Federführend bei der Errichtung und Erhaltung dieser Zone war der damalige Leiter der Siemens-Niederlassung John Rabe. Als Mitglied der NSDAP verschaffte er sich bei den mit den Nazis verbündeten Besatzern unter Einsatz seines Lebens und mit diplomatischem Geschick großen Respekt. Rabe gilt in China heute als Held. Seine Tagebücher, in denen er die Kriegsverbrechen der Invasoren dokumentierte, tauchten erst vor zwei Jahrzehnten auf. Die US-chinesische Autorin Iris Chang spürte sie bei Rabes Nachkommen in Berlin auf und verarbeitete sie im Buch „The Rape of Nanjing“.
Die Oper wurde im Dezember 2017 zum 80jährigen Gedenken an die Massaker im Jiangsu Centre for the Performing Arts, dem Opernhaus von Nanjing, uraufgeführt. Geschildert wird darin die Schaffung der Sicherheitszone durch ein internationales Komitee. John Rabe steht dabei im Zentrum, aber auch berührende Einzelschicksale werden in dieser Antikriegsoper erzählt.
Die aktuelle Produktion ist eine Neuinszenierung durch die US-Chinesin Zhou Mo, die mit einfachen Mitteln eindrucksvolle und realistische Bilder schuf. In seiner „Opernglas“-Rezension einer Pekinger Aufführung lobte Stephan Burianek die gesangliche Qualität als „überaus erfreulich“, das Orchester unter dem Dirigenten Xu Zhong klinge „hervorragend und äußerst präzise“. Die Produktion zeuge von jenem „beachtlichen Qualitätsniveau“, das Chinas Opernhäuser mittlerweile zu erreichen imstande sind. Info: