Liberal oder sozial?
Sustala contra Streissler-Führer Was braucht Österreich – nach demKoalitionsaus, nach derNeuwahl – nachhaltig?
Vor Wahlkämpfen gibt es ja immer noch etwas Hoffnung. Dass es um Inhalte geht, um „Sachthemen“, ganz so, als ob es auch Themen ohne Sache geben könnte. Doch mit der freudigen Erwartung auf inhaltliche Wahlkämpfe verhält es sich in Österreich ja ähnlich wie mit der Hoffnung vor einer FußballWeltmeisterschaft .Sie ist sehr groß–fürs ehr kurze Zeit. Dabei gäbe es in Österreich viel Raumfü reinen inhaltlichen Streit, einen Wettkampf der Zukunftsideen. Den wird es brauchen, will Österreich bleiben, was es ist: Ein Land großen Wohlstands, internationales Vorbild für seine Nischen weltmeister, für hocheffiziente und forschungsstarke Unternehmen, für seine gut ausgebildeten Fachkräfte. Nun macht sich die Politik daran, Geschäftsmodelle wieUberm eh roderm inder zu verbieten, was eher Symptom eines Still standorts ist. Soviel gesetzgeberische Aktivität wäre sinnvoller, wenn es dar umgeht, neue Unternehmen nach Österreich zu locken. Denn damit Österreich wohlhabend bleibt, reicht es nicht, dass alles so bleibt, wie es ist. Es gilt vor allem, die Freiräume für neuenWohlstand zu schaffen. Die Prämisse sollte nicht kreative Umverteilung sein, sondern Investitionen. Nicht nur Absicherung, sondern Aufstiegschancen. Nicht sozial partnerschaftliche Kartellierung, sondern Wettbewerb, der uns nach vorne bringt. In einem Land mit derart ausgeprägten Obrigkeitsdenken und Regelungswut heißt das vor allem Entbürokratisierung, Entlastung, Eigenverantwortung.
Lukas Sustala istVizedirektor bei AgendaAustria
Was Österreich braucht, ist eine faire Gesellschaft, in der alle vom gemeinsamen Wohlstand profitieren können. Die Gewerkschaft hat dafür das Motto„ Gute Arbeit–gutes Leben “. Es ist gar nicht so einfach, zusagen, was„ Gute Arbeit“ist, denn da gibt es ganz unterschiedliche Vorstellungen. Allen gemeinsam ist der Wunsch, für die eigene Arbeit wertgeschätzt und respektiert zu werden und von dieser Arbeit leben zu können. Was Österreich nicht braucht, sind Arbeitspraktiken, wie sie gerade letzte Woche über Amazonbekanntwur den: Dauer überwachung, Misstrauen, übergroßer Arbeitsdruck zu schlechten Bedingungen. Derartige Praktiken mögen in den USA gang und gäbe sein, aber hier gilt tatsächlich: Wien darf nichtSeattle werden. Die oder der einzelne kann wenig tun, um sich zu wehren oder den eigenen Wunsch nach guter Arbeit durchzusetzen. Auch wenn man meint, man könne es sich eh richten, kommt irgendwann der Punkt, wo Überstunden nicht gezahlt werden, wo es zu Überwachung am Arbeitsplatz kommt. Dann ist es gut, wenn es die Gewerkschaft gibt. Mit Kollektiv verträgen, Betriebs vereinbarungen, Rechtsschutz undBil dungs maßnahmen. Da dies meine letzte Kolumne ist, möchte ich Sie einladen Mitglied beider Gewerkschaft zu werden. Dann können wir gemeinsam an einem Gesellschaftssystem der kollektiven Verantwortung arbeiten, das für die vielenundnicht nurdie Privilegierten ist.
Agnes Streissler-Führer ist Ökonomin bei der Gpa-djp