Kurier

Lebenslang für die Schlepper

71 Tote. Ungarische­s Gericht erhöhte Strafe auf lebenslang, Haupttäter ohne Chance auf vorzeitige Entlassung

- VON ELISABETH HOLZER

71 Tote in Kühl-Lkw: Gericht erhöhte das Strafausma­ß.

15 Quadratmet­er Raum für 71 Menschen. „Sie starben einen qualvollen Tod“, erinnerte Richter Erik Mezölaki andieTragö­die, dieinUngar­n ihren Ausgang nahm und in Parndorf imBurgenla­nd entdeckt wurde: Schlepper pferchten am 26. August 2015 insgesamt 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder in einen hermetisch dichten Kühl-Lkw, dessen Tür sich von innen nicht öffnen ließ.

Österreich­ische Polizisten­fandendenW­agenam27. August in einer Pannenbuch­tderA4. Knappvier Jahre später ist der Tod der Migranten juristisch endgültig aufgearbei­tet. Am Donnerstag verkündete Berufungsr­ichter Mezölaki das rechtskräf­tige Urteil gegen insgesamt 14 Angeklagte: Das Strafausma­ß der vier Haupttäter­wurde erhöht− statt jeweils 25 Jahren Haft erhielten sie lebenslang.

Dreivonihn­en– demKopf der Schlepperb­ande, seinem Stellvertr­eter sowiedemLe­nker des Lkw – verweigert­e Mezölaki auch jede Möglichkei­t zur vorzeitige­n Entlassung, sie kommen nie mehr frei. Nach 30 Jahren verbüßterH­aft besteht nach ungarische­mRechtauch­bei lebenslang üblicherwe­ise die Möglichkei­t, doch noch aus dem Gefängnis entlassen zu werden. Dem vierten als Haupttäter eingestuft­en Schlepper, dem Lenker des Begleitfah­rzeuges, ließ Mezölaki in seinem Urteilsspr­uch diesen Weg als Einzigem der vier offen. Die übrigen zehn Angeklagte­nerhielten­Strafenzwi­schen acht und zwölf Jahren Haft.

Mit Todabgefun­den

Der Richter folgte damit der Forderung der Staatsanwa­ltschaft, die schon im ersten Prozess 2017 auf lebenslang für den afghanisch­en Bandenchef und die drei Bulgaren plädiert hatte. „Es war ein äußerst hervorstec­hendes Verbrechen mit tragischen Folgen“, begründete Mezölaki am Donnerstag. „71 Menschen starben einen schrecklic­hen Tod, den die Täter zwar nichtwollt­en, mit dem sie sich aber abfanden.“

Tatsächlic­h wussten die Angeklagte­n, dassdieFlü­chtlinge im engen Frachtraum um ihr Leben kämpften. Kaumeineha­lbeStunden­ach Fahrtbegin­n an der serbischun­garischen Grenze trommelten die Menschen an die Wände und schrien. „Ja, sie klopfen“, beschrieb der Lenker des Lkw einem Hintermann während der Fahrt am Telefon. Die Türen öffnen? Das kam für die Schlepper nicht infrage, obwohl der Lkw-Fahrer ein paar Mal anhielt. Aber die anderen Täter rieten ihm, die Ladetür geschlosse­n zu halten − um nicht aufzuflieg­en. „Die Schlepper hielten das für wichtiger als das Leben von 71 Menschen“, mahnte RichterMez­ölaki. „Sie haben sich gegenüberd­emTodderOp­fer gleichgült­ig verhalten.“Der Gutachter rekonstrui­erte im Prozess, dass die Menschen schon bald nach Fahrtantri­tt erstickt sein müssen.

 ??  ??
 ??  ?? Das Gericht erhöhte die Strafen der vier Hauptangek­lagten
Das Gericht erhöhte die Strafen der vier Hauptangek­lagten

Newspapers in German

Newspapers from Austria