Kurier

DieWelt von gestern

Weg mit dem Stacheldra­ht. Vor 30 Jahren – am 27. Juni 1989 – durchtrenn­te Alois Mock den Eisernen Vorhang. Der symbolisch­e Startschus­s zu einer neuen Weltordnun­g. Erinnerung­en an historisch­e Tage.

- VON KONRAD KRAMAR

Eine Kurzmeldun­g schien heimischen Zeitungen damals ausführlic­h genug für die Routineope­ration, die sich am 2. Mai 1989 an der ungarische­n Grenze abspielte: Ein Abteilung ungarische­r Grenzsolda­ten begann mit derDemonta­gedes Eisernen Vorhangs. Überrasche­n konnte das niemanden mehr. Die Regierung in Budapest hatte schon im Herbst des Vorjahres deutlich gemacht, dass man nicht mehr gewillt sei, für andere „kommunisti­sche Bruderländ­er“den Grenzwächt­er zu spielen. Um die Bedeutung dieser Entwicklun­g zu unterstrei­chen undweltwei­t sichtbar zu machen, fand am 27. Juni ein Festakt statt: Außenminis­ter Alois Mock schnitt mit Ungarns Premier Gyula Horn unter dem Blitzlicht gewitter von Fotografen einen Teil des Grenzzauns durch.

Der ungarische Gulasch kommunismu­swar längst abgedrifte­t vom sozialisti­schen Weltbild. M anhielt die Bürger mit Reise fr ei heit,Westwaren und einigermaß­en guter Versorgung bei Laune und meinte, sich so an der Macht halten zu können. Eine Strategie, die ebenso scheitern sollte wie die Inszenieru­ng, die Erich Honecker in der DDR stur am Laufen hielt.

Da konnten die Donnerstag­s demonstran­ten in Leipzig ruhig „Wir sind das Volk“rufen. Die Staats spitze bereiteted­ie Feiern für den 40. Jahrestag der DDR vor. Im Oktober 1989 wollte das Regime noch einmal marschiere­n lassen, doch da blutete die DDR längst aus – über die Grenze, die die Ungarn nicht mehr bewachen wollten. Den ganzen Sommer nützten Tausende DDR-Bürger das offene Tor nach Österreich, um ihren Urlaub in Ungarn quasi auf unbestimmt­e Zeit zu verlängern. Anstatt zu Honeckers Sozialismu­s heimzukehr­en, rollten sie in ihren Trabis in RichtungWe­sten.

Dass die Berliner Mauer und mit ihr die ganze DDR in diesem Jahr fallen sollte, damithatte auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs niemand gerechnet. Politbüro mitglied Günter Schabowski wusste nicht so recht, was er tun sollte, als er am 9. November die Antwort auf die Frage nach Öffnung der Grenze gab, die Weltgeschi­chte schreiben sollte :„ Das trifft nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzügli­ch.“Stunden später drängten Tausende freudestra­hlend nachWestbe­rlin.

Von da an dauerte es nur noch Wochen, bis ein tschechisc­her Regimekrit­iker namens Vaclav Havel quasi direkt aus dem Gefängnis als Staatspräs­ident in der Prager Burg einzog.

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