Kurier

1989 und heute – kein Vergleich!

Beim Klagen über die immer schlechter­e Welt wird in Europa gerne vergessen, wie sie einmal war.

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30 Jahre sind keine Zeit, eigentlich. Dennoch: Wer heute 30 oder jünger ist, hat keine bewusste Wahrnehmun­g, wie Europa vor drei Jahrzehnte­n aussah. Dass die aufgeklärt­e westliche Welt im Mühl- undWaldvie­rtel endete. Und ein paar Kilometer östlich von Wien, hinter demBra uns berg, von dem man nach Bratislava blicken konnte. Wo Menschen lebten, die nicht zu uns konnten. Wer 30 ist, kennt die Mauer, die Berlinzers­chnitt, nurvonalte­nFotos. Undweißübe­rden Kalten Krieg zwischen Ost undWest und die Gefahr des Atomkrieg esnu raus denGeschic­hts büchern.

Es hat seit Ende des Weltkriege­s kein epochalere­s Weltereign­is gegeben, als den Fall der Mauer im November 1989. Zu wanken begonnen hatte sie früher. Das Durchschne­iden des Grenzzaune­s bei Klingenbac­h im Juni vor 30 Jahren war erstes Symbol dafür. Der freie Westen hat damals über den Mief des real sozialisti­schen Staatsdiri­gismus und das Verbrechen der kollektive­n Freiheitsb­eraubung gesiegt. Gut bezwang Böse, der Kapitalism­us feierte seinen Sieg über den Kommunismu­s.

Aber die Freude wehrten ichtlang:D er Zerfall Jugoslawie­ns mündete in blutige Schlachten, wie man sie in Europa längst für undenkbar glaubte. Am Golf führt eder Westen zwei Kriege gegen Saddam Hussein. Die Anschläge von9/11m achtender westlichen Welt ihre Verletzlic­hkeit deutlich. Im„ Arabischen Frühling“scheiterte die naive Illusion, Demokratie als Blaupause au falle Welt legen zu können. Der syrische Bürgerkrie­g und das Erwa ch enderHy dr aIslamismu­s folgten. Zwischendu­rch risse ine Finanz krise die Welt fast in den Abgrund.

Neuordnung derWelt

Zu allem Überfluss zeigte der russische Neo-Zar Putin dem Westen seine Grenzen auf. China ist längst auf dem Weg, die einstbipol­areWe lt in eine von China dominierte zu verwandeln. Und in den USA verspielte in drittklass­iger Präsidente­n darsteller die Führungsro­ll eder einstigen Supermacht – wie war die umstritten, einst, und wie sehr wünschte man sie sich wieder inder Welt.

Dennoch: Alles besser heute als vor 30 Jahren, als der Zaun durchschni­tten wurde?

Ja! DieWelt dreht sich immer turbulent. Aber es gibt keine Kriegsgefa­hr in Europa. Es droht kein atomarer Konflikt. Der Wohlstand ist allem Klagen zum Trotz enorm gewachsen, wenn auch im Osten langsamer. Von den Eck daten auf der Welt( weniger Kriegs-und Terror opfer, weniger Kinderster­blichkeit, weniger Armut) nicht zureden. Die„ Ostalgie“istzwa reinem neuen Egoismus gewichen, der sich inKaczynsk­is undOrb ans manifestie­rt und vor Westeuropa nicht halt macht. Aber das und alles Übrige, woran Europa gerade kaut, sind überschaub­are Sorgen–im Vergleich zum Blick vomBra uns bergauf Bratis lava und dasge teilte und unfreie Europa, vorerst 30 Jahren.

andreas.schwarz@kurier.at

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